Straße

Faust. Margarete vorüber gehend
Faust
2605Mein schönes Fräulein, darf ich wagen,
Meinen Arm und Geleit Ihr anzutragen?
Margarete
Bin weder Fräulein, weder schön,
Kann ungeleitet nach Hause gehn.
Sie macht sich los und ab.
Faust
Beym Himmel, dieses Kind ist schön!
2610So etwas hab’ ich nie gesehn.
Sie ist so sitt- und tugendreich,
Und etwas schnippisch doch zugleich.
Der Lippe Roth, der Wange Licht,
Die Tage der Welt vergess’ ich’s nicht!
2615Wie sie die Augen niederschlägt,
Hat tief sich in mein Herz geprägt;
Wie sie kurz angebunden war,
Das ist nun zum Entzücken gar!
Mephistopheles tritt auf
Faust
Hör, du mußt mir die Dirne schaffen!
Mephistopheles
2620Nun, welche?
Faust
2620Sie ging just vorbey.
Mephistopheles
Da die? Sie kam von ihrem Pfaffen,
Der sprach sie aller Sünden frey;
Ich schlich mich hart am Stuhl vorbey,
Es ist ein gar unschuldig Ding,
2625Das eben für nichts zur Beichte ging;
Über die hab’ ich keine Gewalt!
Faust
Ist über vierzehn Jahr doch alt.
Mephistopheles
Du sprichst ja wie Hans Liederlich,
Der begehrt jede liebe Blum’ für sich,
2630Und dünkelt ihm, es wär’ kein’ Ehr’2630 ihm, ] S  Aihm 1 H.5 ihm B  B.a   (IV a)
Und Gunst, die nicht zu pflücken wär’;2631 Gunst, ] A  B.aGunst 1 H.5  S Gunst B   (IV c)
Geht aber doch nicht immer an.
Faust
Mein Herr Magister Lobesan,2633 Lobesan ] A  B  B.aLobesan 1 H.5 lobesan S emend Carrière   (II a*)
Laß er mich mit dem Gesetz in Frieden!
2635Und das sag’ ich ihm kurz und gut,
Wenn nicht das süße junge Blut
Heut’ Nacht in meinen Armen ruht;
So sind wir um Mitternacht geschieden.
Mephistopheles
Bedenkt was gehn und stehen mag!
2640Ich brauche wenigstens vierzehn Tag’
Nur die Gelegenheit auszuspüren.
Faust
Hätt’ ich nur sieben Stunden Ruh,
Brauchte den Teufel nicht dazu,
So ein Geschöpfchen zu verführen.
Mephistopheles
2645Ihr sprecht schon fast wie ein Franzos;
Doch bitt’ ich, laßt’s euch nicht verdrießen:2646 Doch ] A  B  B.aDrum 1 H.5  S   (VII)
Was hilft’s nur g’rade zu genießen?
Die Freud’ ist lange nicht so groß,
Als wenn ihr erst herauf, herum,
2650Durch allerley Brimborium,
Das Püppchen geknetet und zugericht’t,
Wie’s lehret manche welsche Geschicht’.
Faust
Hab’ Appetit auch ohne das.
Mephistopheles
Jetzt ohne Schimpf und ohne Spaß.
2655Ich sag’ euch, mit dem schönen Kind
Geht’s ein- für allemal nicht geschwind.2656 ein- für allemal ] einvorallmal 1 H.5 ein- vor allemal S ein-für allemal A  D.1 ein- für allemal B  B.a   (I c)
Mit Sturm ist da nichts einzunehmen;
Wir müssen uns zur List bequemen.
Faust
Schaff’ mir etwas vom Engelsschatz!
2660Führ’ mich an ihren Ruheplatz!
Schaff’ mir ein Halstuch von ihrer Brust,
Ein Strumpfband meiner Liebeslust!
Mephistopheles
Damit ihr seht, daß ich eurer Pein
Will förderlich und dienstlich seyn;
2665Wollen wir keinen Augenblick verlieren,
Will euch noch heut’ in ihr Zimmer führen.
Faust
Und soll sie sehn? sie haben?
Mephistopheles
Nein!
Sie wird bey einer Nachbarinn seyn.
Indessen könnt ihr ganz allein
2670An aller Hoffnung künft’ger Freuden
In ihrem Dunstkreis satt euch weiden.
Faust
Können wir hin?
Mephistopheles
Es ist noch zu früh.
Faust
Sorg’ du mir für ein Geschenk für sie.
ab
Mephistopheles
Gleich schenken? Das ist brav! Da wird er reüssiren!
2675Ich kenne manchen schönen Platz
Und manchen alt vergrabnen Schatz,
2677Ich muß ein Bißchen revidiren.
ab