Inhaltsverzeichnis

Vorbemerkung

Der editorische Bericht zum konstituierten Text wurde gemeinsam von Gerrit Brüning und Dietmar Pravida verfasst. Unter dem Titel „Editorischer Bericht“ ist er zugleich erschienen in:

Johann Wolfgang Goethe: Faust. Eine Tragödie. Konstituierter Text. Bearbeitet von Gerrit Brüning und Dietmar Pravida. Göttingen 2018 (Johann Wolfgang Goethe: Faust. Historisch-kritische Edition. Hrsg. von Anne Bohnenkamp, Silke Henke und Fotis Jannidis unter Mitarbeit von Gerrit Brüning, Katrin Henzel, Christoph Leijser, Gregor Middell, Dietmar Pravida, Thorsten Vitt und Moritz Wissenbach), S. 487–571.

Titel

Von den ersten Anfängen der Arbeit in den 1770er Jahren bis etwa 1800 war Goethes Faust als ein ungeteiltes Werk geplant. Sowohl die Fassung, die Goethe 1775 mit nach Weimar brachte, als auch der Druck von 1790, der unter dem Titel »Faust. Ein Fragment« erschien, sind nicht als Bruchstücke nur des späteren Faust  I, sondern des ganzen Faust-Dramas anzusehen. Auch das nicht erhaltene sogenannte Nummernschema, das Goethe bei der Wiederaufnahme der Arbeit an Faust im Juni 1797 anlegte und mit dem er die bereits vorhandenen und die erst noch auszuarbeitenden Szenen disponierte, bezog sich auf das gesamte Werk. Spätestens im Jahr 1800 fiel der Entschluss zur Zweiteilung. Unter dem Titel »Faust. Eine Tragödie« erschienen 1808 im Rahmen der ersten Cottaschen Gesamtaus­gabe diejenigen Abschnitte, die zusammen »Faust  I« genannt werden: »Zueignung«, »Vorspiel auf dem Theater« und »Prolog im Himmel« sowie im Anschluss daran »Der Tragödie Erster Theil«. Der Titel »Faust. Eine Tragödie« ist auch hier bereits auf das gesamte geplante Werk zu beziehen.

In der Ausgabe letzter Hand folgt 1828 /1829 auf »Faust. Eine Tragödie« unmittelbar ein Teildruck des ersten Akts von Faust  II unter dem Titel »Faust. Zweyter Theil«. In ihrer typographischen Gestaltung stehen die Titelseiten »Faust. Eine Tragödie« und »Faust. Zweyter Theil« auf derselben (höchsten) Gliederungsebene des Textes, so dass sich »Faust. Eine Tragödie« wie in den früheren Drucken nur auf Faust  I zu beziehen scheint. Die ausgebliebene Integration der beiden Stücke dürfte mit den Umständen zu tun haben, unter denen es zu dieser Teilpublikation aus dem zweiten Teil gekommen ist. Sie war in der ursprünglichen Planung noch nicht für diesen Band der Ausgabe vorgesehen, wurde dann aber kurzfristig vorge­zogen. Die Gesamthandschrift von Faust  II trägt den Titel »Faust. Der Tragödie zweiter Theil in fünf Acten«.Ebenfalls unter diesem Titel erschien 1833, ein Jahr nach Goethes Tod, der erste vollständige Druck von Faust  II als Band 41 der Ausgabe letzter Hand. Das bedeutet aber nicht, dass ihr Titel auf derselben Stufe steht wie »Faust. Eine Tragödie«. Der Haupttitel der Gesamthandschrift, »Faust«, dient vielmehr dazu, diese Handschrift dem Werk »Faust« zuzuordnen. Zu Goethes Lebzeiten kam keine Ausgabe von Faust  I und II unter dem gemeinsamen Titel »Faust. Eine Tragödie« zustande.Der erste Druck, in dem beide Teile unter dem gemeinsamen Titel »Faust. Eine Tragödie« auftreten, folgte im Jahr 1834. Vgl. Hagen, S. 198, Nr. 482.

Die Faustedition beschränkt sich nicht auf die dokumentarische Wiedergabe einzelner Textzeugen, die in der digitalen Ausgabe zu finden sind. Sie bietet darüber hinaus sowohl in diesem Band wie auch in der digitalen Ausgabe einen neukon­stituierten Text beider Teile und löst sich damit von einer strikten Bindung an einzelne Zeugen. Deshalb folgt sie auch in der Titelgebung nicht einfach der Überlieferung der Drucke. Das gesamte Werk erscheint unter dem gemeinsamen Titel »Faust. Eine Tragödie«. »Zueignung«, »Vorspiel auf dem Theater« und »Prolog im Himmel« sind den beiden Teilen »Der Tragödie erster Teil« und »Der Tragödie zweiter Teil in fünf Akten« vorangestellt. – Auch in dieser Ausgabe werden jedoch Zueignung, Vorspiel, Prolog und erster Teil zusammen als »Faust  I« bezeichnet, wie es allgemein üblich ist, da diese Stücke ent­stehungs- und überlieferungsgeschichtlich eng zusammengehören und eine Bezeichnung dafür benötigt wird.

Grundsätze der Textbehandlung

Die Buchpublikationen der Faustedition sind integraler Bestandteil der historisch-kritischen Hybridausgabe und gehen auf dieselbe Datengrundlage zurück wie die Texte in der digitalen Edition. Die Textbehandlung der vorliegenden Ausgabe folgt bei beiden Teilen des Faust denselben Grundsätzen.

Als Ausgangspunkt der Textkonstitution (Ausgangstext) dient einer der historisch überlieferten Textzustände, der gemäß seiner Position in der Gesamtüberlieferung, nach seinem Zustandekommen und nach der Herkunft der darin enthaltenen Veränderungen insgesamt als autornah angesehen werden kann. Als autornah gilt ein Textzustand, der unter direkter Mitwirkung und unmittelbarer Kontrolle des Autors entstanden ist. Ein Textzustand, den dieser zwar billigte, dessen Zustandekommen er aber delegierte und der im einzelnen ohne seine Beteiligung und Kenntnisnahme entstand, ist weniger ­autornah. Ist ein Textzustand durch Eingriffe geprägt, die ohne die Kontrolle des Autors vorgenommen wurden und sich über den gesamten Text erstrecken und den früheren Textzustand erheblich überformen, so gilt er als autorfern.

Überlieferte Textzustände eines Werks, die insgesamt autornah sind, können an einzelnen Stellen dennoch unbegründete oder willkürliche Abweichungen (z.B. im Wortlaut, der Interpunktion, der Versaufteilung, der Texteinrichtung) gegenüber einer vorangehenden autornäheren Stufe aufweisen. Das Zustandekommen solcher lokaler autorfernen Abweichungen ist auf Abschreiber- oder Setzerpraktiken zurückzuführen. Zu typischen Abweichungen, die bei der Anfertigung von Abschriften entstehen, gehören etwa abweichende Schreibungen einzelner Wörter sowie neu auftretende Uneinheitlichkeiten, verlorengegangene, hinzukommende oder veränderte Interpunktion oder Hervorhebungen. Zu typischen Abweichungen, die im Verlauf des Satzes bei den im Verlag vorgenommenen Korrekturgängen und während der Drucklegung eindringen, gehören – abgesehen von gewöhnlichen Setzerfehlern, wie dem Ausfall einzelner Zeichen oder ganzer Wörter, vertauschten Lettern und uneinheitlich gestalteten Bühnenanweisungen – die Änderung oder Vereinheitlichung von Wortschreibungen und besonders die mechanisch vorgenommene Setzung von Satzzeichen und von Apostrophen: Vor allem die Apostrophe führen vielfach zu ungrammatischen (hyperkorrekten) Formen oder grammatikalisch auffälligen Konstruktionen. Eine Wortschreibung, die in einem Druck auftritt, kann zunächst aussehen wie eine authentische Goethesche Schreibung, aber trotzdem autorfern sein, wenn sie nicht auf Goethe zurückzuführen ist, sondern durch das ­Versehen eines Abschreibers oder Setzers entstand, z. B. die Schreibung »ausser« in A, nach Vers 2464: die Schreibung könnte zwar als für Goethe charakteristisch angesehen werden, aber bei der Änderung von »außer« in S zu »ausser« in A ist an der vorliegenden Stelle nicht von einem Eingriff ­Goethes auszugehen, da er an diesem Punkt des Überlieferungswegs mit Sicherheit nicht mehr in die Schreibweise eines einzelnen Wortes aus einem zuvor bereits gedruckten Text eingegriffen hat. Wenn solche Abweichungen den Wortlaut verändern, in die Grammatik oder das Metrum eingreifen oder Schreibungen einführen, die im Verhältnis zu den Vorlagen und zu dem beobachtbaren Gebrauch – sofern dieser eine deutlich erkennbare Einheitlichkeit aufweist – als singulär anzusehen sind, so handelt es sich um Überlieferungsstörungen.

Ziel der Textkonstitution ist es, den letzten autornahen Textzustand, der sich erreichen lässt, in emendierter Form wiederzugeben. Im Fall sowohl von Faust  I wie auch von Faust  II ist der jeweils letzte autornahe Textzustand nicht direkt überliefert; er lässt sich jedoch in beiden Fällen durch textkritische Analyse der Überlieferung rekonstruieren. Die unterschied­liche Überlieferungssituation erfordert für Faust  I und Faust  II ein getrenntes Vorgehen. Die Bewertung der einzelnen Zeugen nach ihrer Autornähe berücksichtigt jeweils die gesamte textkritisch relevante handschriftliche und gedruckte Überlie­ferung. Der konstituierte Text ist das Ergebnis der Rekon­struktion des letzten autornahen Textzustandes und dessen Emendation von Überlieferungsstörungen, die rückgängig ­gemacht werden (siehe den Abschnitt zur Textherstellung). Konjek­turen werden nicht in den konstituierten Text auf­genommen.

Überlieferung und Druckgeschichte

Die älteste Handschrift, die ausgearbeitete Szenen des Faust enthielt, hat Goethe selbst im Jahr 1809 beseitigt. Erhalten ist nur eine Abschrift durch Louise von Göchhausen (1 H.5); sie stammt wahrscheinlich aus der Zeit kurz nach Goethes Ankunft in Weimar 1775 oder 1776. Der erste Teil des Faust ist daher hauptsächlich in Drucken über­liefert. Im siebten Band der bei Georg Joachim Göschen erschienenen ersten Gesamtausgabe von Goethes Werken wurde 1790 »Faust. Ein Fragment« gedruckt (S). Faust  I liegt in mehreren vom Autor selbst veranstalteten Drucken vor: dem Erstdruck aus dem Jahr 1808 im achten Band der ersten Cottaschen Ausgabe (A), im neunten Band der zweiten Cottaschen Aus­gabe von 1817 (B) sowie im zwölften Band der dritten Cottaschen Ausgabe. Letztere erschien in zwei verschiedenen Formaten, der sog. Taschenausgabe von 1828 (C.1) und der sog. Oktavausgabe von 1829 (C.3). Zu der Ausgabe B gibt es eine parallele, in Wien erschienene und von Cotta in Zusammen­arbeit mit österreichischen Buchhändlern unternommene Ausgabe (B.a), in deren neuntem Band sich Faust  I abgedruckt findet (1817). Separat erschienene ­Einzelausgaben sind von den innerhalb der Gesamtausgaben erschienenen Drucken abgeleitet: So geht D.1 (1808) auf A zurück, D.2 (1816) auf B, D.3 (1821) auf D.2, und D.4 (1825) auf D.3.Von D.4 gibt es einen Doppeldruck D.4α mit stellenweise abweichenden ­Lesungen.

Die Abschrift 1 H.5 darf in der Textwiedergabe trotz einiger eingedrungener Eigenheiten der Schreiberin als sehr zuverlässig gelten. Aus Übereinstimmungen zwischen 1 H.5 und S ergibt sich, dass 1 H.5 und die nicht erhaltene Druckvorlage von S auf dieselbe Vorlage zurückgehen. Bei der späteren Überarbeitung des ältesten Textbestandes und der Redaktion des Faust-Fragments wurde der Text vieler Szenen erheblich umgestaltet, doch kann 1 H.5 zur Einschätzung der vorgenommenen Änderungen und an einzelnen Stellen zur Identifikation eingedrungener Überlieferungsstörungen herangezogen werden.

S geht auf eine nicht erhaltene handschriftliche Druckvorlage zurück, die nach den für die gesamte Göschensche Ausgabe gültigen Prinzipien erstellt wurde. Dazu zählt insbesondere die Orthographie Johann Christoph Adelungs, an der sich sowohl Goethe und seine Berater und Abschreiber als auch die Setzer des Verlags orientierten. Obwohl die Schreibung und Zeichensetzung in S von dem bei Goethe sonst anzutreffenden Usus weit entfernt ist, entspricht sie grundsätzlich seinen damaligen Wünschen. Goethe hat die Einrichtung der Druckvorlagen der Göschen-Ausgabe bei den nach seiner Rückkunft aus Italien hergestellten Bänden meist sorgfältig überwacht; die für S vorgenommenen Textänderungen sowie die erschließbaren Umstände bei den Vorbereitungen für die Drucklegung des zuletzt erschienenen siebten Bandes der Ausgabe deuten jedoch darauf hin, dass seine Aufmerksamkeit bei diesem das Unternehmen abschließenden Band nachgelassen hatte und dass die Redak­tionsarbeiten im Jahr 1790 auch durch äußerliche Rücksichten und Eile geprägt waren. Beim Satz aller Bände der Ausgabe wurden aber nicht nur Inkonsequenzen der Druckvorlagen verlagsseitig angepasst und die Orthographie noch konsequenter umgesetzt. Der Text wurde zudem in systematischer, aber mechanischer Weise mit Apostrophen (sowie mit Interpunk­tionszeichen) versehen, die in den erhaltenen Druckvorlagen anderer Bände viel sparsamer gesetzt sind. Dadurch kam es vielfach zu ungrammatischen (hyperkorrekten) Formen oder, besonders bei Verstexten, zu unnötig umständlichen grammatikalischen Konstruktionen.

Auch A geht auf eine nicht erhaltene handschriftliche Druckvorlage zurück, eine Abschrift des Goetheschen Arbeitsmanuskripts, wahrscheinlich von der Hand Friedrich Wilhelm ­Riemers. Die Anlage des Arbeitsmanuskripts in den Jahren 1797 – 1798 lässt sich aus den Angaben Goethes in seinen Briefen an Schiller nachvollziehen: Es setzte sich aus zwei Teilen zusammen: (1) aus einer Abschrift von S und (2) aus einer auf Handschriften zurückgehenden Partie. Letztere bestand ihrerseits (a) aus einer älteren Abschrift der nicht für S benutzten Szenen des ältesten Manuskripts sowie (b) aus Entwürfen und neu hinzugekommenen Teilen. Erhalten ist davon nur die Dom-Szene (1 H.13), die zu Teil (1) gehört. Rückschlüsse aus dem Druck A erlauben die Feststellung, dass das Arbeitsmanuskript erhebliche Uneinheitlichkeiten aufwies, die sich direkt in die Druckvorlage und in den Druck fortsetzten, vor allem zwischen den Teilen (1) und (2). Teil (1) folgte weitgehend, wenn auch nicht ohne Abweichungen, den Schreibungen und der Interpunktion von S. Teil (2) hingegen zeigt die für Goethe und seine Abschreiber typischen Eigenheiten, besonders die zurückhaltende Zeichensetzung. Es ist deutlich, dass weder bei der Erstellung der Druckvorlage, noch bei deren Satz Versuche zu einer durchgreifenden Vereinheitlichung unternommen wurden, nur die Schreibung des Namens »Margarete« (in S noch »Margarethe«) sowie der Formen einiger weniger Wörter (»gieb« statt »gib« usw., »spaziren, spazieren« statt »spatziren, spatzieren« usw.) wurden durchgehend vereinheitlicht, die spärliche Zeichensetzung in Goethes eigenhändigen Ausarbeitungen (1 H.12 und 1 H.14) wurde entlang seines eigenen Usus bei der Setzung von Satzzeichen verstärkt. Hyperkorrekte Formen und andere Setzerfehler von S blieben meist unkorrigiert. Dennoch lässt sich eine Abschwächung der Konsequenz der in S vorfindlichen Interpunktion und Orthographie feststellen, die bereits in der Abschrift von S für das Arbeitsmanuskript stattgefunden hat, wie 1 H.13 zeigt.

Nach dem Erscheinen von A legten Riemer und Goethe im Jahr 1809 ein Druckfehlerverzeichnis (1 H.2) zu der gesamten Ausgabe an, das auch Einträge zu Faust  I enthält. Es war für eine spätere Auflage vorgesehen, wurde dann aber nicht benutzt.

B und die Wiener Ausgabe B.a gehen jeweils direkt auf eine beiden Drucken gemeinsame Weimarer Vorlage zurück, die nicht erhalten ist. Es handelte sich um ein von Riemer und Goethe handschriftlich revidiertes Exemplar von A, das am 11. Mai 1816 an Cotta gesandt und von dort aus dann für die Anfertigung der Parallelausgabe nach Wien weitergegeben wurde. Der Text der Vorlage lässt sich aus dem Vergleich von A, B und B.a ermitteln: Er entsprach im wesentlichen A und enthielt nur wenige Textänderungen sowie vereinzelte Änderungen im Wortlaut und in der Zeichensetzung. In B gibt es zahlreiche, besonders interpunktionelle, Abweichungen gegenüber A und B.a. Sie lassen den Versuch erkennen, die Interpunktion systematischer im Sinn hypotaktischer Periodenbildung zu regeln. Da diese Änderungen in B.a keine Entsprechung haben, können sie nicht in der Druckvorlage gestanden haben: Sie gehen allein auf den Verlag zurück. Umgekehrt weist auch B.a zahlreiche Eigentümlichkeiten gegen A und B auf, besonders orthographischer Art.

B und B.a sind vier Änderungen des Wortlauts gegenüber A gemeinsam, die mit dem Wortlaut der Göchhausenschen Abschrift bzw. des Faust-Fragments übereinstimmen. Sie müssen bereits in der Druckvorlage gestanden haben (Verse 2750, 2757, 3578 bzw. 2490 /2492). Da die älteste Faust-Handschrift im Jahr 1816 nicht mehr vorhanden war und da es für eine weitere Handschrift mit diesen Versen keinerlei Anhaltspunkte gibt, ist nicht genau bekannt, auf welche handschriftliche Quelle diese vier Änderungen zurückgehen. (Wegen der exakten Entsprechungen im Wortlaut ist am ehesten von einer abschrift­lichen Nebenüberlieferung auszugehen, die aus demselben Zeitraum 1808 /1809 nach dem Erscheinen des Erstdrucks stammen könnte wie das Druckfehlerverzeichnis 1 H.2.)

Die in Weimar vorgenommene Revision bei der Erstellung der Druckvorlage für B und B.a verfolgte außer der Korrektur eindeutiger Fehler und den genannten Textänderungen an wenigen Stellen keine weitreichenden Ziele, wie es auch Goethes ausdrücklichem, bei Gelegenheit anderer Bände der Ausgabe geäußertem Wunsch entsprach. Beide Drucke erfuhren jedoch unabhängig voneinander eine systematische Durchsicht von Seiten der Verlage. Obwohl B und B.a dabei in verschiedene Richtungen tendieren, kam es in einigen Fällen dennoch zu systematischen Übereinstimmungen in Schreibung (besonders der Groß- und Kleinschreibung von Pronomina) und Zeichensetzung gegenüber der Vorlage. Bis auf ganz wenige Ausnahmen ist nicht davon auszugehen, dass diese Übereinstimmungen auf die Druckvorlage zurückgehen. Sie sind als ein Ergebnis konvergenter verlagsseitiger Überarbeitungen zu werten.

C.1 beruht auf einer erhaltenen Druckvorlage (1 H.1), einem von Karl Wilhelm Göttling durchgesehenen Exemplar von B. Die verlagsseitigen Eingriffe in B setzen sich in 1 H.1 direkt fort, charakteristische Eigenheiten von B wurden hier zum Ausgangspunkt weiterführender autorfremder Änderungen. Orthographie und Interpunktion wurden weiter vereinheitlicht. Außerdem finden sich in 1 H.1 acht in einer Abschrift Johns ergänzte Verse zum Walpurgisnachtstraum (Verse 4335 – 4342, siehe auch 1 H.16 und 1 H.17) sowie vier eigenhändige, von Göttling in einem Brief an Goethe vom 12. Juni 1825 (1 H.6) angeregte Korrekturen und Änderungen (Verse 580, 3457, 3733, 3899). Der Druck C.1 folgt nicht einfach diesen Änderungen in 1 H.1, sondern weist eine Reihe weiterer Eingriffe auf, die im Verlag mit Goethes ausdrücklichem, wenn auch nur pauschal gegebenem Einverständnis durch Wilhelm Reichel vorgenommen wurden.

C.3 beruht auf einem nicht erhaltenen Exemplar von C.1, das abermals von Göttling korrigiert und im Verlag erneut weiter vereinheitlicht worden war. Die Eingriffe in 1 H.1, C.1 und C.3 ­reagieren oft auf die Probleme, die durch die verlagsseitigen Eingriffe in B geschaffen worden waren, und verändern den Text in eine Richtung, die von den autornahen Textzuständen wegführt. Allerdings beseitigt C.1 eine Reihe von Änderungen in 1 H.1, die die Eigenheiten von B besonders konsequent verstärkten, und stellt dort den Zustand von A wieder her.

Am wenigsten durch Fremdeingriffe überformt ist der Text von A, der jedoch die Überlieferungsfehler des Fragments fortsetzt und Goethes Weiterarbeit, besonders die Rückgriffe auf Lesungen des Urfaust und des Faust-Fragments sowie die in 1 H.1 ergänzten Verse, nicht enthält. Sowohl der Bearbeiter der Druckvorlage von A (mit hoher Wahrscheinlichkeit Riemer) als auch die Setzer haben sich, wie der Vergleich mit den er­haltenen Handschriften einzelner Szenen zeigt, bei ihren Eingriffen am Schreibusus ihrer Vorlagen orientiert und deren ­Interpunktion stellenweise verstärkt, sie aber nicht mit einer anderen Prinzipien folgenden Orthographie und Interpunk­tion umgestaltet. (Diese Eingriffe lassen sich daher auch nicht überall mit ausreichender Sicherheit identifizieren.) B enthält umfangreiche verlagsseitige Eingriffe, die sich in 1 H.1, C.1 und C.3 fortsetzen. B.a ist als Korrektiv für die Einschätzung von B von großer Bedeutung, sein eigener Text ist aber ebenfalls autorfern. Der zeitlich letzte erreichbare autornahe Textzustand ist die (nicht erhaltene, aber rekonstruierbare) Druckvorlage für B und B.a.

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Goethe schloss Faust  II erst im letzten Jahr seines Lebens, im Juli 1831, ab. Dessen vollständige Publikation wollte Goethe nicht mehr selbst unternehmen; er hatte bereits im Mai des­selben Jahres Johann Peter Eckermann mit der künftigen Herausgabe aus dem Nachlass beauftragt. Der Text des Faust  II kennt daher zu Lebzeiten keine mit Faust  I vergleichbare Druckgeschichte. Nur einzelne Stücke daraus kamen zum Druck. In der Ausgabe letzter Hand (C.1 4/12 und C.3 4/12) erschien der spätere dritte Akt als »Helena | klassisch-romantische Phantasmagorie. Zwischenspiel zu Faust« im vierten Band (1827 und 1828) sowie der Anfang des späteren ersten Akts bis Vers 6036 unter dem Titel »Faust. Zweiter Theil« im zwölften Band (1828 und 1829). Alle übrigen Teile von Faust  II sind nur handschriftlich überliefert.

Aus allen Phasen der Entstehungsgeschichte und allen Sta­dien der für Goethe typischen Arbeitsweise haben sich zahl­reiche Handschriften erhalten. Den größten Anteil unter ihnen machen eigenhändige Entwürfe aus. Sie enthalten wenige Verse, einzelne Figurenreden oder kürzere Dialoge. Darüber hinaus gibt es Reinschriften von Goethes eigener oder von Schreiberhand, die teils ebenfalls nur kleine, teils aber auch größere ­Abschnitte des Werks umfassen, gelegentlich mehrere Szenen, höchstens einen ganzen Akt. Der einzige Zeuge, der den gesamten zweiten Teil des Werks enthält, ist die im Februar 1831 angelegte Gesamthandschrift (2 H). Sie bestand anfangs mindestens aus den ersten drei Akten. Eckermann berichtet in seinen »Gesprächen mit Goethe in den letzten Jahren seines Lebens« zum 17. Februar 1831, das Manuskript habe von Beginn an auch die fertigen Abschnitte des fünften Akts sowie leere Blätter als Stellvertreter für den noch fehlenden vierten Akt ent­halten. Die Zuverlässigkeit dieses Berichts ist jedoch schwer einzuschätzen. Sicher ist, dass die letzten noch fehlenden Blätter am 22. Juli 1831 hinzugefügt wurden und die Arbeit an Faust  II damit vorläufig zum Abschluss kam. Bei den zu Lebzeiten noch nicht gedruckten Teilen repräsentiert die Gesamthandschrift den letzten Textzustand. Für die bereits gedruckten Partien hingegen trifft dies nicht zu. Hier ließ Goethe Handschriften in 2 H einheften, die durch den Text der Drucke im vierten und zwölften Band der Ausgabe letzter Hand bereits überholt waren.

Helena stellt den ältesten zusammenhängenden Textbestand des Faust  II überhaupt dar. Als Goethe sie in Druck gab, hatte das »Zwischenspiel« neben einer erheblichen Erweiterung auch tiefgreifende Veränderungen erfahren. Einige der zur Helena-­Dichtung von 1800 gehörenden Passagen waren durch die Hände dreier verschiedener Schreiber gegangen: Ludwig Geist, ­Johann John und schließlich Christian Schuchardt. Den bei weitem größten äußeren Einfluss übte Riemer aus, der die ­jambischen Trimeter und Chöre auf Goethes Wunsch metrisch überarbeiten sollte und zahlreiche Änderungsvorschläge machte. Goethe akzeptierte die meisten Vorschläge. Infolge der weitreichenden Änderungen wurde eine erneute Abschrift durch John erforderlich (2​ III H.3, 2​ III H.3a, letztere in zwei Heften, 2​ III H.3a:1 und 2​ III H.3a:2). In diese Abschrift trugen Goethe und Riemer weitere Änderungen ein. 2​ III H.3a diente als Vorlage ­einer weiteren Abschrift durch Schuchardt, die ihrerseits die Vorlage für den Druck in C.1 4 bildete. Goethe sandte sie an Göttling, der erneute Änderungen veranlasste (2 III H.3b). Zu diesen zählte auch die Herabsetzung des Alters der Helena zum Zeitpunkt ihrer Entführung durch Theseus in Vers 8850: Sie wurde von zehn auf sieben Jahre verjüngt.

Goethe sandte die Druckvorlage Ende Januar 1827 an Cotta. Knapp zwei Monate später übermittelte er die beiden zusätz­lichen Verse 9939 – 9940 und eine Änderung von Vers 9942 (2 III H.75b). Diese Anweisung wurde für C.1 4 berücksichtigt, bei Vers 9942 aber nicht vollständig übernommen. Nach der Verwendung für den Druck erhielt Goethe die Vorlage im April 1827 zurück.

Insgesamt sind für C.1 4 eine Reihe von Abweichungen zu verzeichnen, die durch orthographische Normalisierung, häufigere Getrenntschreibung, zusätzliche Apostrophe, gelegentlich verstärkte Interpunktion und getilgte Kommata sowie durch einige eingedrungene Fehler zustande kamen. Die Durchsicht des Drucks für den auf C.1 beruhenden Satz der Oktavausgabe (C.3) überließ Goethe Göttling, dem er zugleich die zurückerhaltene Druckvorlage zukommen ließ. Dieser schickte Goethe am 27. Juli 1827 das korrigierte Exemplar von C.1 4, die Druckvorlage sowie eine Liste von Änderungsvorschlägen (2​ III H.45a). Auf deren Grundlage erstellte Goethe ein Corrigendaverzeichnis, das er im Oktober 1827 an Reichel sandte. Es ist nicht erhalten, lässt sich aber aufgrund von 2​ III H.45a, C.3 4 und dem Doppeldruck der Taschenausgabe (C.2α 4) rekonstruieren. Es ist anzunehmen, dass C.2α 4  und C.3 4 nach demselben von Göttling korrigierten Exemplar von C.1 4 gesetzt wurden. Auch dieses Korrekturexemplar ist nicht erhalten; die darin enthaltenen Korrekturen lassen sich jedoch aus dem Vergleich von 2 H, C.1, C.2α und C.3 mit hoher Wahrscheinlichkeit ermitteln. Die C.2α und C.3 gemeinsamen Abweichungen von C.1 erlauben es aber nicht in jedem Fall, auf Korrekturen in der Vorlage zu schließen. Meist handelt es sich um konvergente Änderungen aus beiden Drucken gemeinsamen systematischen Tendenzen, die entweder für die Setzerpraxis des Verlags charakteristisch sind und den beschriebenen Tendenzen von C.1 entsprechen, oder aber aus der Beseitigung offensichtlicher Fehler und typographischer Inkonsistenzen entstanden. Die Fälle, in denen gemeinsame Abweichungen von C.1 auf eine Korrektur in der Druckvorlage schließen lassen, beschränken sich auf die Zurücknahme von zwei Interpunktionsverstärkungen in Einklang mit der handschriftlichen Druckvorlage von C.1 (in Vers 8741 und 9962) und zwei für Göttling eigentümliche, dagegen für die Setzer untypische Apostrophe (Verse 8656 »Entlass’nem« und 9235 »geschloss’nes«).

1831 ließ Goethe die für C.1 bestimmte Druckvorlage des dritten Akts in 2 H einheften. Zu diesem Zeitpunkt war sie durch die beiden geschilderten Schritte der Textentwicklung überholt. Dieser Rückstand wird dadurch überdeckt, dass Eckermann die beiden auffälligsten der nachträglich für C.1 bzw. nach dem Druck von C.1 für C.3 angewiesenen Änderungen (die Zusatzverse 9939 – 9940 sowie die Sprecherbezeichnung »Panthalis« vor Vers 9981) zu einem späteren Zeitpunkt, wahrscheinlich nach Goethes Tod, in 2 H übernahm. Als Quelle diente ihm vermutlich C.3.

Im Dezember 1827, wenige Wochen, nachdem er die Änderungen für C.3 4 an den Verlag geschickt hatte, begann Goethe mit der Vorbereitung des Teildrucks des ersten Akts in C 12. Er sandte die von John angefertigte Druckvorlage (2 I H.0a) am 29. Dezember in einem noch lückenhaften Zustand und nur bis zum Ende der Mummenschanz-Szene (Vers 5986) reichend an Riemer. Goethe arbeitete in den folgenden Tagen an seinem zurückbehaltenen älteren Manuskript weiter; die dort vor­genommenen Erweiterungen und Änderungen wurden ab dem 2. Januar 1828 in die Druckvorlage übernommen (nicht um­gekehrt von 2 I H.0a in das ältere Manuskript, wie Erich Schmidt in der Weimarer Ausgabe annahm). Warum dies in zwei Fällen (in Vers 5190, vor Vers 5357) unterblieb, ob versehentlich oder etwa infolge der Konsultationen mit Riemer, ist nicht zu erkennen. Für die seit Schmidt vertretene Annahme, Goethe habe diese und einige weitere Änderungen erst zu einem wesentlich späteren Zeitpunkt, nach dem Druck von C 12, in 2 H vorgenommen, gibt es keine ausreichenden Anhaltspunkte.

Die Druckvorlage 2 I H.0a ist größtenteils eine unmittelbare Abschrift des älteren Manuskripts, das später in 2 H eingefügt wurde. Sie zeigt neben einigen Nachlässigkeiten und Fehlern Johns eine Reihe von Änderungen im Wortlaut, die vielfach von Riemer mit Bleistift vorgeschlagen und zum Zeichen der Billigung von Goethe mit Tinte nachgezogen wurden. Im Anschluss ging der Text durch die Hände der Setzer, die ihn der allgemeinen Tendenz von C entsprechend orthographisch vereinheitlichten und stellenweise anders interpungierten. Die Korrektur der Taschenausgabe (C.1 12) für den nachfolgenden Satz der Oktavausgabe (C.3 12) überließ Goethe wieder Göttling, dem anders als im Fall des dritten Akts die Druckvorlage nicht zur Verfügung stand. Die in C.1 12 eingedrungenen Fehler blieben unbemerkt (sogar die typographische Markierung des Beginns einer neuen Szene mit »Die Grazien« vor Vers 5299, die auf einem Missverständnis der Anweisungen in 2 I H.0a beruht), auch sonst zeigt C.3 12 keine Änderungen, die auf eine gründliche Revision Göttlings oder Korrekturen Goethes hindeuten könnten. In 2 I H.0a liegt somit der letzte von Goethe ­unmittelbar kontrollierte Textzustand des zu Lebzeiten gedruckten Teils des ersten Akts vor. Das im Februar 1831 in die Gesamthandschrift eingeheftete ältere Manuskript repräsentiert einen durch 2 I H.0a im Januar 1827 überholten Textzustand.

Als Goethe im Februar 1831 das ältere Manuskript zum ersten Akt sowie die Druckvorlage der Helena in die entstehende Gesamthandschrift integrierte, schenkte er dem jeweiligen Rückstand gegenüber der späteren Textentwicklung keine Beachtung. Dieser Rückstand war ohne Belang, da Goethe nicht vorhatte, an den fertigen Teilen des Werks weiterzuarbeiten, und also keine Fassungen benötigte, die dem letzten Stand der Textentwicklung entsprachen. Außer den von John hinzugefügten Aktangaben ist keine Weiterarbeit am Text der beiden bereits gedruckten Akte I und III feststellbar. Goethe legte die Gesamthandschrift an, damit ihm der gesamte bereits fertig vorliegende Teil »als eine sinnliche Masse vor Augen sei« (Eckermann, 17. Februar 1831). Auf den genauen Wortlaut kam es hingegen nicht an. Mit der Einheftung der letzten ins Reine geschriebenen Blätter im Juli 1831 ergab sich so ein entstehungsgeschichtlich heterogenes Konvolut, dessen einzelne Teile unterschiedliche Bearbeitungsstufen des Textes aufweisen: ältere, durch spätere Zeugen abgelöste Textzustände einerseits sowie die Ergebnisse von Goethes abschließender Arbeit andererseits.

Wenige Wochen nach Goethes Tod ging Eckermann daran, die erste vollständige Ausgabe von Faust  II im 41. Band der Ausgabe letzter Hand (C 41) vorzubereiten. Er sah die Gesamthandschrift durch und nahm eine Reihe von Änderungen vor.Eckermann nahm seine Änderungen, anders als Göttling und Riemer, häufig mit Tinte vor. Sie sind als endgültige Entscheidungen zu verstehen, nicht als an Goethe gerichtete Vorschläge. Es ist an keiner Stelle erkennbar, dass Goethe selbst sie noch zur Kenntnis genommen und sie gebilligt oder verworfen hätte. Betroffen waren davon teils fehlerhafte Stellen, teils aber auch solche, an denen Eckermann aus anderen Gründen meinte, dem Text im Sinne des Dichters nachhelfen zu dürfen. Zu solchen Eingriffen war er durch die mit Goethe getroffene Vereinbarung vom Mai 1831 pauschal autorisiert. An einigen Stellen zog er Bleistiftniederschriften textidentisch mit Tinte nach. Postum vorgenommene Änderungen Eckermanns sowie an wenigen Stellen Riemers zeigen sich auch im gedruckten Teil des ersten Akts sowie im dritten Akt. Dies lässt darauf schließen, dass der Druck C 41 anfangs durchgängig auf 2 H beruhen sollte. Im Verlauf seiner Arbeit muss Eckermann die ent­stehungsgeschichtliche Heterogenität von 2 H erkannt haben, denn der von ihm unter Mitwirkung Riemers und Friedrich von Müllers letztlich hergestellte Text beruht nur in den ungedruckten Teilen sowie in der Szene Lustgarten auf 2 H, dagegen im ersten Akt bis zum Ende der Mummenschanz-Szene auf C 12 sowie im dritten Akt auf C 4. An einigen Stellen stimmt C 41 dennoch gegen die beiden Teildrucke mit 2 H überein. Dort wurden teils Änderungen rückgängig gemacht, die in C 4 oder C 12 enthalten waren, teils erst postum in 2 H vorgenommene Änderungen übernommen. Daneben bringt C 41 eine Reihe weiterer Änderungen, die keinerlei Entsprechung in 2 H haben und vermutlich auf die nicht erhaltene Druckvorlage zurückgehen.

2 H ist somit nicht nur entstehungsgeschichtlich heterogen, es haben sich darin auch Entwicklungen niedergeschlagen, die erst zur Textgeschichte nach Goethes Tod gehören. Infolgedessen weist 2 H sowohl Lesarten auf, die bereits zu Lebzeiten durch 2​ I H.0a und C 4 überholt waren, als auch solche, die auf postum vorgenommenen Eingriffen beruhen. In 2 H liegt kein zu irgendeinem Zeitpunkt gültiger Gesamttext von Faust  II vor. Von Faust  II insgesamt ist daher keine zu Lebzeiten entstandene vollständige Fassung überliefert. Die editorische Aufgabe besteht nicht darin, mehrere Fassungen hinsichtlich ihrer Autornähe zu bewerten, sondern darin, diejenige Fassung herzustellen, die dem zum Zeitpunkt von Goethes Tod erreichten Arbeitsstand entspricht. Der letzte erreichbare autornahe Textzustand im Fall von Faust  II ergibt sich aus mehreren Zeugen: der Gesamthandschrift 2 H, der Vorlage für den Teildruck des ersten Akts (2​ I H.0a) sowie den Zeugen, die zur Rekonstruktion der Vorlage für den Druck des dritten Akts in C.3 4 herange­zogen werden müssen: C.1 4, 2​ III H.45a, C.2α 4 und C.3 4.

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Weder im Fall von Faust  I noch von Faust  II ist der letzte ­autornahe Textzustand in einem einzelnen Zeugen direkt erhalten: bei Faust  I nicht, weil die zeitlich spätesten Textzustände (B und C) nicht autornah sind und der letzte autornahe Textzustand in Gestalt der Druckvorlage der Ausgaben B und B.a nicht mehr vorhanden ist; bei Faust  II nicht, weil der einzige vollständige Zeuge (die Gesamthandschrift) keinen verbind­lichen Text des gesamten Faust  II bietet. Dennoch gestattet es die Über­lieferung in beiden Fällen, den letzten autornahen Text des Faust herzustellen.

Textherstellung

Die Textkonstitution verfolgt nicht das Ziel, einen von sämt­lichen Fremdeinflüssen befreiten Text herzustellen, der in Wortlaut, Schreibung und Interpunktion überall Goethes eigenhändiger Praxis entspräche. Doch wird der Text durch Emendation von solchen Einflüssen befreit, die in einem engeren Sinn als Überlieferungsstörungen identifiziert werden können. Liegen Überlieferungsstörungen vor und kann ein den Text verändernder Autoreingriff an der betreffenden Stelle ausgeschlossen werden, so wird der letzte autornahe Wortlaut in den konstituierten Text übernommen.

Für den konstituierten Text von Faust  I wird die nicht erhaltene, auf A beruhende Druckvorlage für die Ausgaben B und B.a (1.) anhand von A, B und B.a rekonstruiert und (2.) anhand der gesamten vorangegangenen Überlieferung emendiert. Zur Emendation werden alle Handschriften einschließlich der Göchhausenschen Abschrift 1 H.5 und des Druckfehlerverzeichnisses 1 H.2 sowie der Druck S herangezogen.

Die Vorlage der beiden Drucke B und B.a lässt sich mit geringen Unsicherheiten rekonstruieren. Ihr Text besteht im wesentlichen aus A, den substantiellen Änderungen, die B und B.a gemeinsam sind, sowie denjenigen akzidentellen Änderungen, die B und B.a gemeinsam sind, die aber nicht als unabhängige konvergente Neuerungen in beiden späteren Drucken ange­sehen werden können, und von denen anzunehmen ist, dass sie auf die Druckvorlage zurückgehen.

Im Vergleich zu allen späteren zu Lebzeiten bei Cotta ­erschienenen Drucken weist S den einheitlichsten Text auf. Trotzdem finden sich bereits in S Überlieferungsstörungen, die sich nach A vererbt haben:

  • – autorferne Abweichungen (Abschreibefehler) in der Druckvorlage für S, die sich nach S und A vererbt haben;
  • – fehlerhafte oder willkürliche Setzereingriffe in S, die sich nach A vererbt haben.

Nach der Erstellung der Druckvorlage für S ist der Text des Faust in keiner Ausgabe mehr vollständig auf Punkt und Komma genau oder unter Rückgriff auf Handschriften revidiert worden, weder von Goethe selbst noch von einem seiner engeren Mitarbeiter.Das gilt insbesondere für die Ausgabe letzter Hand, da Göttlings Durchsicht sich auf wenige Aspekte beschränkte, denen er seine Aufmerksamkeit so gut wie ausschließlich widmete, während er viele offensichtliche Mängel übersah. Goethe hat sich nach dem Erscheinen von S mit der Ausarbeitung neuer Szenen sowie mit der Komposition des ganzen Werks beschäftigt, eine eingehende Korrektur des bereits abgeschlossen Vorliegenden von seiner Seite ist nicht nachzuweisen und auch nicht wahrscheinlich. Alle Drucke seit A enthalten die verlagsseitigen Eingriffe und sonstige Überlieferungsstörungen, die in früheren Drucken seit S eingedrungen waren. Diese sind durch eine vergleichende Untersuchung der Drucke und Handschriften zu identifizieren.

Im Text von A lassen sich entstehungs- und druckgeschichtlich mehrere Bereiche unterscheiden, die jeweils den relevanten Überlieferungskontext für die Betrachtung einzelner Stellen bilden:

(1) Stellen, die sich bereits in S finden.

Goethe hat nach dem Erscheinen von S auf die Einhaltung der dort noch streng befolgten Adelungischen Orthographie keinen Wert mehr gelegt, was bei der Bewertung der weiteren Übernahme dieses Textes und Abweichungen davon in Goethes Arbeitsmanuskript (zu dem die erhaltene Handschrift der Dom-­Szene 1 H.13 gehörte) und später in die Druckvorlage für A zu berücksichtigen ist. Nur diejenigen Abweichungen von S sind zu emendieren, die aus jeweils für eine einzelne Stelle spe­zifisch angebbaren Gründen als Störungen gelten können. Einschließlich der bereits in S enthaltenen Fehler kommen fol­gende Überlieferungsstörungen in Frage:

  • – autorferne Abweichungen in der Zwischenabschrift von S, die sich nach A vererbt haben;
  • – autorferne Abweichungen in der Druckvorlage für A;
  • – fehlerhafte oder willkürliche Setzereingriffe in A;
  • – Druckfehler in A.

(2) Stellen, die sich noch nicht in S finden.

Hier ist die Entstehungsgeschichte des Arbeitsmanuskripts und der Druckvorlage für A zu berücksichtigen; Stellen, die sich noch nicht in S finden, können

  • – bereits in der ältesten Handschrift und in deren Abschrift 1 H.5 enthalten (und über eine Zwischenabschrift weiter überliefert worden) sein: Schüler-Szene‚ Trüber Tag. Feld, Kerker;
  • – 1797 – 1802 entstanden (und über eine Zwischenabschrift weiter überliefert worden) sein: Zueignung, Vorspiel, Prolog, Wagner-Gespräche in Nacht, Vor dem Tor, Teile der Studierzimmer-Szenen;
  • – 1806 entstanden (bzw. anhand vorliegender älterer Manuskripte oder Paralipomena überarbeitet worden) und handschriftlich erhalten sein (hierher gehören die Handschriften der Valentin-Szene 1 H.12 und der Walpurgisnacht 1 H.14).

Die Arten der Überlieferungsstörungen entsprechen denen von (1).

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Der konstituierte Text des Faust  II gibt den Arbeitsstand wieder, der zum Zeitpunkt von Goethes Tod erreicht war. Dieser Arbeitsstand ergibt sich aus einer Mehrzahl von Zeugen. Im ersten Akt ab Vers 6037 sowie im zweiten, vierten und fünften Akt beruht der konstituierte Text auf 2​ H. Ebenfalls auf 2​ H be­ruhen der Titel sowie Akteinteilung und Überschriften, die sich überhaupt nur dort finden. Im ersten Akt bis Vers 6036 wird der Text auf Grundlage der handschriftlichen Vorlage für den Teildruck in C.1 12 (2​ I H.0a) hergestellt. Im dritten Akt wird die Vorlage für den Druck der Helena in C.3 4, die aus einem nicht erhaltenen korrigierten Exemplar des Drucks C.1 4 sowie aus einer Corrigendaliste bestand, rekonstruiert. Als Ausgangstext dient C.1 4. Aufgenommen werden die in 2​ III H.45a angewiesenen Änderungen sowie darüber hinaus diejenigen Änderungen, durch die C.2α 4 und C.3 4 gemeinschaftlich von C.1 4 abweichen, ohne dass dies auf unabhängig wirksame Tendenzen der Setzer zurückgeführt werden kann. Es wurde jedoch generell darauf verzichtet, gemeinsame Abweichungen von C.1 in den Text aufzunehmen, wenn diese nur durch C.2α und C.3, nicht aber durch eine frühere handschriftliche Überlieferung gestützt werden. Die in 2 H feststellbaren postum vorgenommenen Eingriffe werden aus dem Text ausgeschlossen und nur im Apparat verzeichnet.

Zur Emendation des Textes werden abhängig von der Vor­lagensituation, die sich in den einzelnen Akten unterschiedlich darstellt und im Fall der zu Lebzeiten ungedruckten Partien häufig wechselt, vorangegangene handschriftliche Zeugen herangezogen.

Die zu Lebzeiten ungedruckten Teile von 2​ H hat Goethe durchgesehen und stellenweise durchgreifend überarbeitet. Noch im Januar 1832 las er seiner Schwiegertochter Ottilie daraus vor. Dennoch enthält 2​ H sowohl offensichtliche Fehler als auch solche, die erst anhand früherer Handschriften als solche erkennbar sind. Einige Fehler standen bereits in der jeweiligen Vorlage. In der Regel ist von Abschreibefehlern, nur ausnahmsweise von Diktier- oder Hörfehlern auszugehen. Teils scheint die unmittelbare Vorlage von 2​ H verlorengegangen zu sein, so dass bei in 2​ H auftretenden Abweichungen von der nächstfrüheren erhaltenen Stufe mit einer dazwischenliegenden Goetheschen Änderung gerechnet werden muss. Für einige Teile fehlt eine frühere Überlieferung. Die sich daraus ergebenden Unwägbarkeiten machen eine besonders vorsichtige Emendationspraxis erforderlich. In anderen Bereichen ist der Text von 2​ H dagegen zuverlässig anhand der jeweiligen un­mittelbaren Vorlage kontrollierbar, insbesondere, wenn diese eigenhändig ist. Die bei der Herstellung der handschriftlichen Druckvorlage 2 I H.0a und des Drucks C.1 4 eingedrungenen Abschreibe- und Setzerfehler werden anhand der entsprechenden Partien in 2​ H emendiert. In allen Teilen werden auch diejenigen Fehler emendiert, die bereits in der jeweiligen Vorlage oder noch früher auftreten und sich von dort aus unbemerkt bis in die Textgrundlage weitervererbt haben.

Bei Faust II lassen sich dank der Überlieferungslage auch geringfügige Abweichungen des Abschreibers oder Setzers von der jeweiligen Vorlage feststellen. Es werden dennoch nur diejenigen Abweichungen emendiert, die den Wortlaut verändern, in die Grammatik oder das Metrum eingreifen oder singuläre Schreibungen einführen. Groß- und Kleinschreibung, Apostrophsetzung und sonstige Interpunktion blieben meist unangetastet, ebenso einige Wortformen, die von den Schreibern aufgrund eines ihnen näherliegenden Sprachgebrauchs eingeführt und von Goethe vereinzelt selbst benutzt oder bei der Korrektur stehengelassen wurden, so bei den Schreibungen »Thurm« statt »Thurn« und dessen Ableitungen.So bei »umthürmter«, »Thurm«, »Thurmwärter«, »Thürmer« (Verse 8868, 9199, vor 9218, 9235, vor 11163, vor 11288, 11290, 11340) gegenüber ­»umthürnter«, »Thurn«, »Thurnwärter« und »Thürner«. Zu Goethes Usus vgl. Paul, Bd. 1, S. 361 f., § 234. – Ebenso wurde in Vers 9127 mit »thöricht« 2 H C.1 – »thörig« 2​ III H.3a:2 verfahren. Entfernte oder (seltener) neu eingeführte Synkopen bleiben gewahrt, wenn sie metrisch neutral sind (z.B. Vers 4909 »verworrener« 2 I H.0a gegen »verworrner« 2 H oder umgekehrt Vers 5205 »unserm« 2 I H.0a gegen »unserem« 2 H). Anders wurde bei den Trimetern und den Chorliedern im dritten Akt verfahren, wenn Abschreiber oder Setzer die Aufeinanderfolge zweier unbetonter Silben hinzugefügt oder beseitigt haben (siehe die Erläuterung zu Vers 8506). Von einem Rückgang hinter die von Riemer und Goethe durchgreifend überarbeitete Stufe 1​ H.2 wurde (mit Ausnahme von Vers 8803) abgesehen, so dass sich einige Les­arten (z.B. 8754 »hoch und wahr« gegen »wahr und hoch« 2​ III H.1) sowie einige vermeintlich metrisch motivierte Änderungen (8511 »heiliger« gegen »heilger« 2​ III H.1, 8692 »schöpferisch« gegen »schöpfrisch« 2​ III H.1, umgekehrt 9012 »wenig« gegen »wenige« 2​ III H.1 usw.) allein John verdanken.

Klassifikation der Textentscheidungen

Die Emendationen sowie alle übrigen Textentscheidungen und weitere für die Textherstellung relevante Sachverhalte werden im Apparat mitgeteilt. Zur Klassifikation der editorischen Entscheidungen werden folgende Verweisziffern verwendet:

  • I. Korrekturen offensichtlicher Fehler
    • a. Textfehler (sprachlich sinnlose Konstruktionen, Wörter oder Schreibungen)
    • b. Zeichensetzungsfehler (z. B. hyperkorrekte Apostrophe, fehlende Interpunktion am Satzende)
    • c. Einrichtungsfehler in Drucken oder Reinschriften (z. B. typographische Fehler bei Bühnenanweisungen, Sprecherangaben, Szenentiteln und entsprechende Erschei­nungen in Handschriften)
  • II. Emendationen von Überlieferungsstörungen
    • a. Störungen, die erst im Ausgangstext festzustellen sind
      • aa. Störungen durch Abweichung von der nachweislich unmittelbaren (erhaltenen) Vorlage
    • b. Störungen, die bereits in der vorherigen Überlieferung festzustellen sind
    • c. Störungen durch versehentliches Übergehen von Autorvarianten
    • d. Störungen durch vom Autor übernommene Fremdvarianten (Eingriff unterbleibt, es kommen nur An­gaben der Form »(II d*)« vor; die Autorvariante wird im Apparat verzeichnet)
  • III. Verzeichnung von Konjekturen, wo eine Überlieferungsstörung möglich scheint (Eingriff unterbleibt, es kommen nur Angaben der Form »(III*)« vor)
  • IV. Rekonstruktion des Wortlauts der Druckvorlage
    • a. Beibehaltung des Wortlauts des früheren Drucks (A beziehungsweise C.1 4) gegen konvergente Abweichung der späteren Drucke (B B.a beziehungsweise C.2α 4 C.3 4)
    • b. Übernahme des Wortlauts der späteren Drucke oder eines der späteren Drucke, wenn angenommen werden muss, dass dies der Wortlaut der Druckvorlage ist
    • c. Beibehaltung der Interpunktion des früheren Drucks (A), auch wenn die Tilgungen in einem der späteren Drucke (B) einer pauschalen Ermächtigung des Setzers durch den Autor entsprechen
  • V. Verzeichnung von Autorvarianten der zeitlich nachfolgenden Überlieferung (keine Übernahme in den konstituierten Text)
  • VI. Verzeichnung von postum vorgenommenen Änderungen im Zeugen (2​ H) (keine Übernahme in den konstituierten Text)
  • VII. Verzeichnung von Stellen aus anderen Gründen als I – VI (z. B. Fremdvarianten, Textlücken, erwähnenswerte Überlieferungsbefunde)
  • VIII. Verzeichnung von Einrichtungsfehlern im Ausgangstext (Druck oder Reinschrift), bei denen sich ein Eingriff erübrigt, da die Gestaltung des betreffenden dramatischen Nebentextes unter die typographischen Konventionen der vorliegenden Ausgabe fällt.

An Stellen, an denen mutmaßlich eine Störung vorliegt, die Gewissheit aber nicht ausreicht, um im Rahmen dieser Ausgabe einen editorischen Eingriff zu rechtfertigen, wird die betref­fende, im Text unveränderte Stelle dennoch im Apparat verzeichnet und die beigefügte Indikation der mutmaßlichen ­Störung mit einem Asteriskus versehen (z. B. I b*).

Apparat

Im Apparat werden Lesarten zu den Stellen des Textes mit­geteilt, die für die Textkonstitution von Bedeutung sind. Es werden nicht sämtliche Lesarten der Überlieferung zu Lebzeiten verzeichnet, auch nicht bei B B.a und C.2α C.3 4; diese lassen sich im synoptischen Apparat der digitalen Edition vollständig überblicken. Die Lesarten stehen am Fuß der Seiten, mit Ausnahme der konvergenten Lesarten späterer Drucke und der Einrichtungsfehler, die sich im folgenden Abschnitt gesammelt zusammengestellt finden. Die Apparateinträge sind, außer wo sie sich auf ganze Verse beziehen, lemmatisiert. Unmittelbar rechts von dem das Lemma abschließenden Zeichen ] erscheint die Sigle des oder der Zeugen, auf den oder die sich der Wortlaut des konstituierten Textes an dieser Stelle stützt. (Bei der Korrektur ein­deu­tiger Textfehler steht an dieser Stelle hingegen keine Sigle, auch dann nicht, wenn die Korrektur mit der Lesart eines Zeugen übereinstimmt.) Im Anschluss daran erscheinen abweichende Lesarten mit ihren Siglen in chronologischer Reihenfolge. Bei mehreren abweichenden Lesarten wird die in den Text gesetzte Lesart nebst Sigle nochmals angegeben, wenn nur so die chronologische Position dieses Zeugen unmittelbar ersichtlich wird (z. B. Verse 8850, 8478).

Um nicht Zusammenhänge unter Zeugen zu suggerieren, die in keiner engeren Verbindung zu­einander stehen, wird die Gruppierung gleichlautender, vom konstituierten Text abweichender Lesarten vermieden, wenn die Übereinstimmung zwischen ihnen bloß auf Zufall beruht und nicht durch Abhängigkeit begründet ist. In solchen Fällen treten im Wortlaut oder Zeichenbestand identische Lesarten mehrfach auf. Zusammen­fassende Siglen (C für C.1 und C.3 u. ä.) werden im Apparat nicht verwendet. Fehlendes Satzzeichen gegenüber vorhan­dener Interpunktion in Lemma oder Lesart wird mit dem ­Zeichen ‸ markiert. Es steht jedoch nicht bei ausgebliebenen Apostrophsetzungen, da sonst an manchen Stellen nicht eindeutig hervorginge, ob das Fehlen eines Inter­punk­tions­zeichens oder eines Apostrophs angezeigt werden soll (so etwa bei Vers 3751).

Wenn die Schreiberhand für die textkritische Einschätzung einer Lesart wichtig ist, wird diese mit den auf S. 568 auf­geführten Kürzeln G, Ec usw. direkt im Anschluss an die betreffende Lesart an­gegeben, gefolgt von der Sigle. Wenn in Handschriften vorkommende Änderungen relevant sind, werden diese mit den Kürzeln erg (für »ergänzt«), tilgt, mon (für »moniert«) sowie vorschl (für »vorschlägt«) verzeichnet. Der kursive Doppelpunkt : steht bei Ersetzungen zwischen Getilgtem und Hin­zugefügtem. Varianten innerhalb von Varianten erscheinen in stumpfwinkligen Klammern ....

Am Ende jedes Eintrags findet sich die Angabe, zu welcher Klasse die getroffene editorische Entscheidung bzw. die anstelle eines unterlassenen Eingriffs zu gebende Mitteilung nach der voranstehenden Aufzählung gehört (z. B. Ib oder Ib*).

Besonderheiten bei Faust  I

Da der konstituierte Text von Faust  I auf der Rekonstruktion eines nicht erhaltenen Zeugen beruht, und da sich die textkritische Bewertung des Wortlauts eines Zeugen oft aus der Übereinstimmung oder Nichtübereinstimmung mit einem anderen Zeugen ergibt, werden in den Apparateinträgen hier stets die abweichenden Lesarten aller jeweils in Betracht kommenden Zeugen angegeben, unabhängig davon, ob sie für die Textentscheidung von unmittelbarer Bedeutung sind oder nicht: Die Drucke A, B und B.a werden an den textkritisch zu behandelnden Stellen durchgehend angeführt, S in denjenigen Szenen, wo Faust  I Text des Faust-Fragments übernimmt, D.1, wo ein früh bemerkter Fehler in A oder ein dort beibehaltener auffallender Wortlaut in A nachzuweisen ist, die einzelnen Handschriften, wo sie Verse aufweisen, die sich auf den Text beziehen lassen. Wo es sinnvoll erscheint, werden vereinzelt auch Lesarten von 1 H.1, C.1, C.3 oder von anderen Drucken verzeichnet. Dies geschieht etwa dort, wo die Textkonstitution den Wortlaut einer Handschrift aufnimmt und sich damit gegen die gesamte ­gedruckte Überlieferung wendet, oder dort, wo die späteren Drucke einheitlich gegen den Wortlaut von A ändern, dieser aber trotzdem beibehalten wird.

Besonderheiten bei Faust  II

Der generelle Grundsatz, dass nicht sämtliche Lesarten verzeichnet werden, sondern nur diejenigen, die für die jeweilige Textentscheidung relevant sind, trifft insbesondere für Faust  II zu. Bei Entscheidungen der Klasse II wird als Grundlage der Emendation in der Regel die letzte Handschrift angegeben, die den emendierten Fehler noch nicht enthält. Weiter vorher­gehende Überlieferung wird nur genannt, wenn sie eigenhändig ist und wenn die getroffene Entscheidung zusätzlich gestützt werden soll. Bei ererbten Fehlern (Klasse II b) werden neben dem Ausgangstext diejenigen Zeugen genannt, von denen und über die sich der Fehler herleitet. C.1 41, C.3 41 und Q werden nur genannt, wenn eine in 2 H postum vorgenommene Korrektur keinen Niederschlag in diesen Drucken findet.