∞Hexenküchevor 2337 Hexenküche ] Hexenküche. S Hexenküche‸ A Hexenküche. D.1 Hexenküche. B B.a (VIII)
∞ Auf einem
niedrigen Herde steht ein großer Kessel über dem Feuer. In dem
Dampfe, der davon in die Höhe steigt, zeigen sich
verschiedne Gestalten. Eine
Meerkatze sitzt bey dem Kessel und schäumt ihn, und
sorgt daß er nicht überläuft. Der
Meerkater mit den Jungen sitzt darneben und wärmt sich.
Wände und Decke sind mit dem seltsamsten Hexenhausrath
ausgeschmückt.
∞Faust.
Mephistopheles
∞Faust
2337Mir widersteht das tolle Zauberwesen!
2338Versprichst du mir, ich soll genesen,
2339In diesem Wust von Raserey?
2340Verlang’ ich Rath von einem alten Weibe?
2341Und schafft die Sudelköcherey
2342Wohl dreyßig Jahre mir vom Leibe?
2343Weh mir, wenn du nichts bessers weißt!
2344Schon ist die Hoffnung mir verschwunden.
2345Hat die Natur und hat ein edler Geist
2346Nicht irgend einen Balsam ausgefunden?
∞Mephistopheles
2347Mein Freund, nun sprichst du wieder klug!
2348Dich zu verjüngen, gibt’s auch ein natürlich Mittel;2348 Dich
] 1 H.2 Dich S
Doch
A B B.a 1 H.1 C.1 12 C.3 12
(II a, II c)2348 verjüngen, ] S A B.a verjüngen‸ B
(IV c)
2349Allein es steht in einem andern Buch,
2350Und ist ein wunderlich Capitel.
∞Mephistopheles
2351Gut! Ein Mittel, ohne Geld
2352Und Arzt und Zauberey, zu haben:
2354Fang’ an zu hacken und zu graben,
2355Erhalte dich und deinen Sinn
2356In einem ganz beschränkten Kreise,
2357Ernähre dich mit ungemischter Speise,
2358Leb’ mit dem Vieh als Vieh, und acht’ es nicht für
Raub,
2359Den Acker, den du ärndest, selbst zu düngen;2359 ärndest ] A erndest S
ärntest B
erntest B.a
(IV a)
2360Das ist das beste Mittel, glaub’,
2361Auf achtzig Jahr dich zu verjüngen!
∞Faust
2362Das bin ich nicht gewöhnt, ich kann mich nicht
bequemen,
2363Den Spaten in die Hand zu nehmen,
2364Das enge Leben steht mir gar nicht an.
∞Mephistopheles
2368Das wär’ ein schöner Zeitvertreib!
2369Ich wollt’ indeß wohl tausend Brücken bauen.
2370Nicht Kunst und Wissenschaft allein,
2371Geduld will bey dem Werke seyn.
2372Ein stiller Geist ist Jahre lang geschäftig,
2373Die Zeit nur macht die feine Gährung kräftig.
2374Und alles was dazu gehört
2375Es sind gar wunderbare Sachen!
2376Der Teufel hat sie’s zwar gelehrt;
2377Allein der Teufel kann’s nicht machen.
∞Die Thiere
erblickend
2378Sieh, welch ein zierliches Geschlecht!
2379Das ist die Magd! das ist der Knecht!
∞Zu den Thieren
2380Es scheint, die Frau ist nicht zu Hause?
∞Die
Thiere
∞Faust
∞Mephistopheles
2388Nein, ein Discours wie dieser da,
∞Zu den Thieren
2390So sagt mir doch, verfluchte Puppen!
2391Was quirlt ihr in dem Brey herum?
∞Thierevor 2390, 2390–2393 Die Bühnenanweisung und die vier nachfolgenden Verse sind in S nicht enthalten.
(VII)vor 2392 Thiere ] A B B.a 1 H.1 C.1 12 C.3 12 Die Thiere konj Schröer (III *)
2392Wir kochen breite Bettelsuppen.
∞Der
Kater
∞macht sich herbey und
schmeichelt dem Mephistopheles
2394O würfle nur gleich,
2395Und mache mich reich,
2396Und laß mich gewinnen!
2397Gar schlecht ist’s bestellt,
2398Und wär’ ich bey Geld,
2399So wär’ ich bey Sinnen.
∞Indessen haben die jungen
Meerkätzchen mit einer großen Kugel gespielt und rollen sie
hervor.
∞Der
Kater
2402Das ist die Welt;
2403Sie steigt und fällt
2404Und rollt beständig;
2405Sie klingt wie Glas;
2406Wie bald bricht das?
2408Hier glänzt sie sehr,
2409Und hier noch mehr,
2410Ich bin lebendig!
2411Mein lieber Sohn,
2412Halt dich davon!
2413Du mußt sterben!
2414Sie ist von Thon,
∞Der
Kater
∞holt es
herunter
2417Wärst du ein Dieb,
2418Wollt’ ich dich gleich erkennen.
∞Er läuft zur Kätzinn
und läßt sie durchsehen.
2419Sieh durch das Sieb!
2420Erkennst du den Dieb,
2421Und darfst ihn nicht nennen?
∞Er nöthigt den
Mephistopheles zu sitzen.
∞welcher diese Zeit
über vor einem Spiegel gestanden, sich ihm bald genähert, bald sich von ihm entfernt
hat
2429Was seh’ ich? Welch ein himmlisch Bild
2430Zeigt sich in diesem Zauberspiegel!
2431O Liebe, leihe mir den schnellsten deiner Flügel,
2432Und führe mich in ihr Gefild!
2433Ach wenn ich nicht auf dieser Stelle bleibe,
2434Wenn ich es wage nah’ zu gehn,
2435Kann ich sie nur als wie im Nebel sehn! –
2436Das schönste Bild von einem Weibe!
2437Ist’s möglich, ist das Weib so schön?
2439Den Inbegriff von allen Himmeln sehn?
2440So etwas findet sich auf Erden?
∞Mephistopheles
2441Natürlich, wenn ein Gott sich erst sechs Tage plagt,
2442Und selbst am Ende Bravo sagt,
2443Da muß es was gescheidtes werden.
2444Für dießmal sieh dich immer satt;
2445Ich weiß dir so ein Schätzchen auszuspüren,
2446Und selig wer das gute Schicksal hat,
2447Als Bräutigam sie heim zu führen!
∞Faust sieht immerfort in den Spiegel. Mephistopheles, sich in dem Sessel dehnend und mit dem Wedel spielend,
fährt fort zu sprechen.vor 2448 immerfort ] immerfort S
immmerfort A
immerfort D.1
immerfort B B.a
(I a)
2448Hier sitz’ ich wie der König auf dem Throne,
2449Den Zepter halt’ ich hier, es fehlt nur noch die
Krone.
∞welche bisher
allerley wunderliche Bewegungen durch einander
gemacht haben, bringen dem Mephistopheles eine Krone mit
großem Geschrey
2450O sey doch so gut,
2451Mit Schweiß und mit Blut
2452Die Krone zu leimen!
∞Sie gehn ungeschickt mit der Krone um und zerbrechen sie in zwey Stücke, mit welchen
sie herumspringen.vor 2453 herumspringen ] A B B.a herum springen S
(II a*)
2453Nun ist es geschehn!
2454Wir reden und sehn,
∞Mephistopheles
∞in obiger
Stellung
2463Nun, wenigstens muß man bekennen,
2464Daß es aufrichtige Poeten sind.
∞Der Kessel, welchen die Kätzinn bisher außer Acht gelassen, fängt an überzulaufen; es entsteht eine große Flamme, welche zum Schornstein hinaus schlägt. Die Hexe kommt durch die Flamme mit entsetzlichem Geschrey herunter gefahren.vor 2465 außer ] S ausser A D.1
außer B B.a
(II a)vor 2465 große ] S grosse A D.1 B
große B.a
(II a)vor 2465 Schornstein ] A B B.a Schorstein S
(II a*)vor 2465 hinaus schlägt ] A B hinausschlägt S
hinausschlägt B.a
(II a*)
∞Die
Hexe
2465Au! Au! Au! Au!
2466Verdammtes Thier! verfluchte Sau!
2467Versäumst den Kessel, versengst die Frau!
2468Verfluchtes Thier!
∞Faust und
Mephistopheles erblickend
2469Was ist das hier?
2470Wer seyd ihr hier?
2471Was wollt ihr da?
2472Wer schlich sich ein?
2473Die Feuerpein
2474Euch in’s Gebein!
∞Sie fährt mit dem
Schaumlöffel in den Kessel, und spritzt Flammen nach Faust,
Mephistopheles und den Thieren. Die Thiere winseln.
∞Mephistophelesvor 2475 Mephistopheles ] Mephistopheles, S
Mephistopheles. A
D.1
Mephistopheles, B
Mephistopheles‸ B.a
(VIII)
∞welcher den Wedel,
den er in der Hand hält, umkehrt, und unter die Gläser und
Töpfe schlägt
2475Entzwey! entzwey!
2476Da liegt der Brey!
2477Da liegt das Glas!
2478Es ist nur Spaß,
2479Der Tact, du Aas,
2480Zu deiner Melodey.
∞Indem die Hexe voll
Grimm und Entsetzen zurücktritt.
2481Erkennst du mich? Gerippe! Scheusal du!
2482Erkennst du deinen Herrn und Meister?
2483Was hält mich ab, so schlag’ ich zu,
2484Zerschmettre dich und deine Katzen-Geister!
2485Hast du vor’m rothen Wamms nicht mehr Respect?
2486Kannst du die Hahnenfeder nicht erkennen?
2487Hab’ ich dieß Angesicht versteckt?
2488Soll ich mich etwa selber nennen?
∞Die
Hexe
2489O Herr, verzeiht den rohen Gruß!
2490Seh’ ich doch keinen Pferdefuß.2490/2492 Seh’ bis kommst ] S B Sah’ bis kamst A
Seh’ bis dieß Mahl kommst B.a
(IV b)
2491Wo sind denn eure beyden Raben?
∞Mephistopheles
2492Für dießmal kommst du so davon;
2493Denn freylich ist es eine Weile schon,
2494Daß wir uns nicht gesehen haben.
2495Auch die Cultur, die alle Welt beleckt,
2496Hat auf den Teufel sich erstreckt;
2497Das nordische Phantom ist nun nicht mehr zu schauen,
2498Wo siehst du Hörner, Schweif und Klauen?
2499Und was den Fuß betrifft, den ich nicht missen kann,
2500Der würde mir bey Leuten schaden;
2501Darum bedien’ ich mich, wie mancher junge Mann,
2502Seit vielen Jahren falscher Waden.
∞Die
Hexe
∞tanzend
2503Sinn und Verstand verlier’ ich schier,
2504Seh’ ich den Junker Satan wieder hier!
∞Mephistopheles
2507Er ist schon lang’ in’s Fabelbuch geschrieben;
2508Allein die Menschen sind nichts besser dran,
2509Den Bösen sind sie los, die Bösen sind geblieben.
2510Du nennst mich Herr Baron, so ist die Sache gut;
2511Ich bin ein Cavalier, wie andre Cavaliere.
2512Du zweifelst nicht an meinem edlen Blut;
2513Sieh her, das ist das Wapen, das ich führe!
∞Die
Hexe
∞lacht unmäßig
2514Ha! Ha! Das ist in eurer Art!
2515Ihr seyd ein Schelm, wie ihr nur immer war’t!
∞Mephistopheles
∞zu Faust
2516Mein Freund, das lerne wohl verstehn!
2517Dieß ist die Art mit Hexen umzugehn.
∞Mephistopheles
2519Ein gutes Glas von dem bekannten Saft!
2520Doch muß ich euch um’s ält’ste bitten;
2521Die Jahre doppeln seine Kraft.
∞Die
Hexe
2522Gar gern! Hier hab’ ich eine Flasche,
2523Aus der ich selbst zuweilen nasche,
2524Die auch nicht mehr im mind’sten stinkt;
2525Ich will euch gern ein Gläschen geben.
∞Leise
2526Doch wenn es dieser Mann unvorbereitet trinkt,
2527So kann er, wißt ihr wohl, nicht eine Stunde leben.
∞Mephistopheles
2528Es ist ein guter Freund, dem es gedeihen soll;
2530Zieh deinen Kreis, sprich deine Sprüche,
∞Die Hexe mit seltsamen Geberden, zieht einen Kreis und stellt wunderbare Sachen hinein; indessen
fangen die Gläser an zu klingen, die Kessel zu tönen, und machen Musik. Zuletzt bringt
sie ein großes Buch, stellt die Meerkatzen in den Kreis, die ihr zum Pult dienen und
die Fackel halten müssen. Sie winkt Fausten, zu ihr zu treten.vor 2532 Hexe ] Hexe‸ S
Hexe. A D.1
Hexe‸ B B.a
(VIII)
∞Faust
∞zu
Mephistopheles
2532Nein, sage mir, was soll das werden?
2533Das tolle Zeug, die rasenden Geberden,
2534Der abgeschmackteste Betrug
2535Sind mir bekannt, verhaßt genug.
∞Mephistopheles
2536Ey Possen! Das ist nur zum Lachen;
2537Sey nur nicht ein so strenger Mann!
2538Sie muß als Arzt ein Hokuspokus machen,
2539Damit der Saft dir wohl gedeihen kann.
∞Er nöthigt Fausten in den
Kreis zu treten.
∞mit großer Emphase
fängt an aus dem Buche zu declamiren
2541Aus Eins mach’ Zehn,
2542Und Zwey laß gehn,
2543Und Drey mach’ gleich,
2544So bist du reich.
2545Verlier’ die Vier!
2546Aus Fünf und Sechs,
2547So sagt die Hex’,
2548Mach’ Sieben und Acht,
2549So ist’s vollbracht:
2550Und Neun ist Eins,
2551Und Zehn ist keins.
2552Das ist das Hexen-Einmal-Eins!
∞Mephistopheles
2554Das ist noch lange nicht vorüber,
2555Ich kenn’ es wohl, so klingt das ganze Buch;
2556Ich habe manche Zeit damit verloren,
2557Denn ein vollkommner Widerspruch
2558Bleibt gleich geheimnißvoll für Kluge wie für
Thoren.
2559Mein Freund, die Kunst ist alt und neu.
2560Es war die Art zu allen Zeiten,
2561Durch Drey und Eins, und Eins und Drey
2562Irrthum statt Wahrheit zu verbreiten.
2563So schwätzt und lehrt man ungestört;
2564Wer will sich mit den Narr’n befassen?
2565Gewöhnlich glaubt der Mensch, wenn er nur Worte
hört,
2566Es müsse sich dabey doch auch was denken lassen.
∞Faust
2573Was sagt sie uns für Unsinn vor?
2574Es wird mir gleich der Kopf zerbrechen.
2575Mich dünkt, ich hör’ ein ganzes Chor
2576Von hundert tausend Narren sprechen.
∞Mephistopheles
2577Genug, genug, o treffliche Sibylle!
2578Gib deinen Trank herbey, und fülle
2579Die Schale rasch bis an den Rand hinan;
2580Denn meinem Freund wird dieser Trunk nicht schaden:
2581Er ist ein Mann von vielen Graden,
2582Der manchen guten Schluck gethan.
∞Die Hexe mit vielen Ceremonien, schenkt den Trank in eine Schale; wie sie Faust an den Mund
bringt, entsteht eine leichte Flamme.vor 2583 Hexe ] Hexe‸ S
Hexe. A D.1
Hexe‸ B B.a
(VIII)
∞Mephistopheles
2583Nur frisch hinunter! Immer zu!
2584Es wird dir gleich das Herz erfreuen.
2585Bist mit dem Teufel du und du,
2586Und willst dich vor der Flamme scheuen?
∞Die Hexe lös’t den
Kreis
∞Faust tritt heraus
∞Mephistopheles
∞zur Hexe
2589Und kann ich dir was zu Gefallen thun;
2590So darfst du mir’s nur auf Walpurgis sagen.
∞Mephistopheles
∞zu Faust
2593Komm nur geschwind und laß dich führen;
2594Du mußt nothwendig transpiriren,
2595Damit die Kraft durch inn- und äußres dringt.
2596Den edlen Müßiggang lehr’ ich hernach dich schätzen,
2597Und bald empfindest du mit innigem Ergetzen,
2598Wie sich Cupido regt und hin und wieder springt.