∞Abend
∞Ein kleines
reinliches Zimmer
∞ihre Zöpfe flechtend und aufbindend
2679Wer heut der Herr gewesen ist!
2680Er sah gewiß recht wacker aus,
2681Und ist aus einem edlen Haus;
2682Das konnt’ ich ihm an der Stirne lesen –
2683Er wär’ auch sonst nicht so keck gewesen.
∞ab
∞Mephistopheles. Faust
∞ab
∞Faust
∞rings
aufschauend
2687Willkommen süßer Dämmerschein!
2688Der du dieß Heiligthum durchwebst.
2689Ergreif mein Herz, du süße Liebespein!
2690Die du vom Thau der Hoffnung schmachtend lebst.
2691Wie athmet rings Gefühl der Stille,
2692Der Ordnung, der Zufriedenheit!
2693In dieser Armuth welche Fülle!
2694In diesem Kerker welche Seligkeit!
∞Er wirft sich auf
den ledernen Sessel am Bette.
2695O nimm mich auf! der du die Vorwelt schon
2697Wie oft, ach! hat an diesem Väter-Thron
2698Schon eine Schaar von Kindern rings gehangen!
2699Vielleicht hat, dankbar für den heil’gen Christ,
2700Mein Liebchen hier, mit vollen Kinderwangen,
2701Dem Ahnherrn fromm die welke Hand geküßt.
2702Ich fühl’, o Mädchen, deinen Geist
2703Der Füll’ und Ordnung um mich säuseln,
2704Der mütterlich dich täglich unterweis’t,
2705Den Teppich auf den Tisch dich reinlich breiten
heißt,
2706Sogar den Sand zu deinen Füßen kräuseln.
2707O liebe Hand! so göttergleich!
2708Die Hütte wird durch dich ein Himmelreich.
∞Er hebt einen
Bettvorhang auf.
2709Was faßt mich für ein Wonnegraus!
2710Hier möcht’ ich volle Stunden säumen.
2711Natur! Hier bildetest in leichten Träumen
2712Den eingebornen Engel aus;
2713Hier lag das Kind! mit warmem Leben
2714Den zarten Busen angefüllt,
2715Und hier mit heilig reinem Weben
2716Entwirkte sich das Götterbild!
2717Und du! Was hat dich hergeführt?
2718Wie innig fühl’ ich mich gerührt!
2719Was willst du hier? Was wird das Herz dir
schwer?
2720Armsel’ger Faust! ich kenne dich nicht mehr.
∞Mephistopheles
2731Hier ist ein Kästchen leidlich schwer,
2732Ich hab’s wo anders hergenommen.
2733Stellt’s hier nur immer in den Schrein,
2734Ich schwör’ euch, ihr vergehn die Sinnen;
2735Ich that euch Sächelchen hinein,
2736Um eine andre zu gewinnen.
2737Zwar Kind ist Kind und Spiel ist Spiel.
∞Mephistopheles
2738Fragt ihr viel?
2739Meint ihr vielleicht den Schatz zu wahren?
2740Dann rath’ ich eurer Lüsternheit2740–2741 Lüsternheit‸ bis Tageszeit, ] S A B.a Lüsternheit‸ bis TagesZeit‸ 1 H.5
Lüsternheit, bis Tageszeit‸ B
(IV c)
2741Die liebe schöne Tageszeit,
2742Und mir die weitre Müh’ zu sparen.
2743Ich hoff’ nicht daß ihr geitzig seyd!
2744Ich kratz’ den Kopf, reib’ an den Händen –
∞Er stellt das Kästchen
in den Schrein und drückt das Schloß wieder zu.
2745Nur fort! geschwind! –
2746Um euch das süße junge Kind
2747Nach Herzens Wunsch und Will’ zu wenden;
2748Und ihr seht drein,
2749Als solltet ihr in den Hörsal hinein,
2750Als stünden grau leibhaftig vor euch da2750 stünden grau ] 1 H.5 B stünd’ S A
standen grau B.a
(IV b)
2751Physik und Metaphysika!
2752Nur fort! –
∞ab
∞Margarete
∞mit einer
Lampe
2753Es ist so schwül, so dumpfig hie,
∞Sie macht das
Fenster auf.
2754Und ist doch eben so warm nicht drauß’.
2756Ich wollt’, die Mutter käm’ nach Haus.
2757Mir läuft ein Schauer über’n ganzen Leib –2757 über’n ganzen Leib ] B B.a am ganzen Leib 1 H.5
über’n Leib S A
(IV b)
2758Bin doch ein thöricht furchtsam Weib!
∞Sie fängt an zu singen,
indem sie sich auszieht.
2759Es war ein König in Thule
2760Gar treu bis an das Grab,
2761Dem sterbend seine Buhle
2762Einen goldnen Becher gab.
2767Und als er kam zu sterben,
2768Zählt’ er seine Städt’ im Reich,
2769Gönnt’ alles seinem Erben,2769 seinem ] S 1 H.9 A B D.2 B.a
seinen 1 H.5 1 H.7 1 H.8
seinen J.1
seinen D3 D4 (II b*)
2770Den Becher nicht zugleich.
2771Er saß beym Königsmahle,
2772Die Ritter um ihn her,
2773Auf hohem Väter-Saale,
2774Dort auf dem Schloß am Meer.
2775Dort stand der alte Zecher,
2776Trank letzte Lebensgluth,
2777Und warf den heiligen Becher
2778Hinunter in die Fluth.
2779Er sah ihn stürzen, trinken
2780Und sinken tief ins Meer,
2781Die Augen thäten ihm sinken,
2782Trank nie einen Tropfen mehr.
∞Sie eröffnet den
Schrein, ihre Kleider einzuräumen, und erblickt
das Schmuckkästchen.
2783Wie kommt das schöne Kästchen hier herein?
2784Ich schloß doch ganz gewiß den Schrein.
2785Es ist doch wunderbar! Was mag wohl drinne seyn?
2786Vielleicht bracht’s jemand als ein Pfand,
2787Und meine Mutter lieh darauf.
2788Da hängt ein Schlüsselchen am Band,
2790Was ist das? Gott im Himmel! schau,
2791So was hab’ ich mein’ Tage nicht gesehn!2791 mein’ Tage ] S A B B.a mein Tage 1 H.5
mein Tage konj Schröer (II b*)
2792Ein Schmuck! Mit dem könnt’ eine Edelfrau
2793Am höchsten Feiertage gehn.
2794Wie sollte mir die Kette stehn?
2795Wem mag die Herrlichkeit gehören?
∞Sie putzt sich
damit auf und tritt vor den Spiegel.
2796Wenn nur die Ohrring’ meine wären!
2797Man sieht doch gleich ganz anders drein.
2798Was hilft euch Schönheit, junges Blut?
2799Das ist wohl alles schön und gut,
2800Allein man läßt’s auch alles seyn;
2801Man lobt euch halb mit Erbarmen.
2802Nach Golde drängt,
2803Am Golde hängt