Fünfter Akt

Offene Gegend

Wanderer
11043Ja! sie sinds die dunkeln Linden,
Dort, in ihres Alters Kraft.
11045Und ich soll sie wieder finden,
Nach so langer Wanderschaft!
Ist es doch die alte Stelle,
Jene Hütte, die mich barg,
Als die sturmerregte Welle
11050Mich an jene Dünen warf!
Meine Wirthe möcht’ ich segnen,
Hülfsbereit, ein wackres Paar,
Das, um heut mir zu begegnen
Alt schon jener Tage war.
11055Ach! das waren fromme Leute!
Poch ich? ruf ich? – Seyd gegrüßt!
Wenn, gastfreundlich, auch noch heute
Ihr des Wohlthuns Glück genießt.
Baucis
Mütterchen, sehr alt
Lieber Kömmling! Leise! Leise!
11060Ruhe! laß den Gatten ruhn!
Langer Schlaf verleiht dem Greise
Kurzen Wachens rasches Thun.
Wanderer
Sage Mutter bist dus eben,
Meinen Dank noch zu empfahn,
11065Was du für des Jünglings Leben
Mit dem Gatten einst gethan?
Bist du Baucis, die, geschäftig,
Halberstorbnen Mund erquickt?
der Gatte tritt auf
Du Philemon, der, so kräftig,
11070Meinen Schatz der Fluth entrückt?
Eure Flammen raschen Feuers,
Eures Glöckchens Silberlaut,
Jenes grausen Abentheuers
Lösung war Euch anvertraut.
11075Und nun laßt hervor mich treten,
Schaun das gränzenlose Meer;
Laßt mich knien, laßt mich beten,
Mich bedrängt die Brust so sehr.
Er schreitet vorwärts auf der Düne.
Philemon
zu Baucis
Eile nur den Tisch zu decken,
11080Wo’s im Gärtchen munter blüht.
Laß ihn rennen, laß ihn schrecken,11081 laß ihn schrecken ] 2 Hihn erschrecken Ec 2 H   (VI)
Denn er glaubt nicht was er sieht.
neben dem Wandrer stehend
Das Euch grimmig mißgehandelt,
Wog’ auf Woge, schäumend wild,
11085Seht als Garten ihr behandelt,
Seht ein paradiesisch Bild.
Älter, war ich nicht zu Handen,
Hülfreich nicht wie sonst bereit,
Und, wie meine Kräfte schwanden,
11090War auch schon die Woge weit.
Kluger Herren kühne Knechte
Gruben Gräben, dämmten ein,
Schmälerten des Meeres Rechte
Herrn an seiner Statt zu seyn.
11095Schaue grünend Wies’ an Wiese
Anger, Garten, Dorf und Wald. –
Komm nun aber und genieße
Denn die Sonne scheidet bald. –
Doch! im Fernsten ziehen Seegel!11099 Doch! ] 2 V H.0b 2 HDort zS 2 H   (VI)
11100Suchen nächtlich sichern Port.
Kennen doch ihr Nest die Vögel,
Denn jetzt ist der Hafen dort.
So erblickst du in der Weite
Erst des Meeres blauen Saum,
11105Rechts und links, in aller Breite,
Dichtgedrängt bewohnten Raum.
Am Tische zu drey, im Gärtchen
Baucis
Bleibst du stumm? und keinen Bissen
Bringst du zum verlechzten Mund?
Philemon
Möcht er doch vom Wunder wissen,
11110Sprichst so gerne, thu’s ihm kund.
Baucis
Wohl! ein Wunder ists gewesen!
Läßt mich heute nicht in Ruh;
Denn es ging das ganze Wesen
Nicht mit rechten Dingen zu.
Philemon
11115Kann der Kaiser sich versündgen
Der das Ufer ihm verliehn?
Thät’s ein Herold nicht verkündgen
Schmetternd im Vorüberziehn?
Nicht entfernt von unsern Dünen
11120War der erste Fuß gefaßt,
Zelte! Hütten! – doch, im Grünen,
Richtet bald sich ein Palast.
Baucis
Tags umsonst die Knechte lärmten,
Hack und Schaufel, Schlag um Schlag,
11125Wo die Flämmchen nächtig schwärmten
Stand ein Damm den andern Tag.
Menschenopfer mußten bluten,
Nachts erscholl des Jammers Quaal,
Meerab floßen Feuergluten;
11130Morgens war es ein Canal.
Gottlos ist er, ihn gelüstet
Unsre Hütte, unser Hayn;
Wie er sich als Nachbar brüstet
Soll man unterthänig seyn.
Philemon
11135Hat er uns doch angeboten
Schönes Gut im neuen Land!
Baucis
Traue nicht den Wasserboten,
Halt auf deiner Höhe Stand.
Philemon
Laßt uns zur Capelle treten!
11140Letzten Sonnenblick zu schaun.
Laßt uns läuten, knieen, beten!
11142Und dem alten Gott vertraun.