∞Laboratorium im Sinne des Mittelalters, weitläufige, unbehülfliche Apparate, zu phantastischen Zwecken
∞Wagner
∞
am Herde
6819Die Glocke tönt, die fürchterliche
6820Durchschauert die berußten Mauern.
6821Nicht länger kann das Ungewisse
6822Der ernstesten Erwartung dauern.
6823Schon hellen sich die Finsternisse;
6824Schon in der innersten Phiole
6825Erglüht es wie lebendige Kohle,
6826Ja wie der herrlichste Karfunkel,
6827Verstrahlend Blitze durch das Dunkel;
6828Ein helles weißes Licht erscheint!
6829
O daß ich’s diesmal nicht verliere! –
6830Ach Gott! was rasselt an der Thüre?
∞Wagner
∞
ängstlich
∞Leise
6833Doch haltet Wort und Athem fest im Munde,
6834Ein herrlich Werk ist gleich zu Stand gebracht.
∞
Mephistopheles
6836Ein Mensch? Und welch verliebtes Paar
6837Habt ihr in’s Rauchloch eingeschloßen?
∞Wagner
6838Behüte Gott! wie sonst das Zeugen Mode war
6839Erklären wir für eitel Possen.
6840Der zarte Punct aus dem das Leben sprang,
6841Die holde Kraft die aus dem Innern drang
6842Und nahm und gab, bestimmt sich selbst zu zeichnen,
6843Erst Nächstes, dann sich Fremdes anzueignen,
6844
Die ist von ihrer Würde nun entsetzt;
6845Wenn sich das Thier noch weiter dran ergötzt,
6846So muß der Mensch mit seinen großen Gaben
6847Doch künftig höhern, höhern Ursprung haben.6847 höhern, höhern ] 2 H mon Ri, am linken Rand hehren? mit Verweis auf 6856 Ri 2 H
(VII)
∞Zum Herd gewendet
6848Es leuchtet! seht! – Nun läßt sich wirklich hoffen6848 leuchtet! ] 2 H leucht : leuchtet‸
G, Ausrufezeichen zS am linken Rand 2 H
(VII)
6849Daß, wenn wir aus viel hundert Stoffen,
6850Durch Mischung, denn auf Mischung kommt es an,
6851Den Menschenstoff gemächlich componiren,
6852In einen Kolben verlutiren
6853Und ihn gehörig kohobiren,
6854So ist das Werk im Stillen abgethan.
∞zum Herd gewendet
6855Es wird! die Masse regt sich klarer,
6856Die Überzeugung wahrer,
wahrer:
6857Was man an der Natur geheimnißvolles prieß,
6858Das wagen wir verständig zu probiren,
6859Und was sie sonst organisiren ließ,
6860Das lassen wir krystallisiren.
∞
Mephistopheles
6861Wer lange lebt hat viel erfahren,
6862Nichts Neues kann für ihn auf
dieser Welt geschehn,
6863Ich habe schon, in meinen Wanderjahren,
6864Krystallisirtes Menschenvolk gesehn.
∞Wagner
∞
bisher immer aufmerksam auf die Phiole
6865Es steigt, es blitzt, es häuft sich an,
6866Im Augenblick ist es gethan.
6867Ein großer Vorsatz scheint im Anfang toll,
6868Doch wollen wir des Zufalls
künftig lachen,
6869Und so ein Hirn, das trefflich denken soll,
6870Wird künftig auch ein Denker machen.
∞Entzückt die Phiole betrachtend
6871Das Glas erklingt von lieblicher Gewalt,
6872Es trübt, es klärt sich; also muß es werden!
6873Ich seh’ in zierlicher Gestalt
6874Ein artig Männlein sich gebärden.
6875Was wollen wir, was will die Welt nun mehr?
6876Denn das Geheimniß liegt am Tage.
6877Gebt diesem Laute nur Gehör,
6878Er wird zur Stimme, wird zur Sprache.
∞Homunkulus
∞in der Phiole zu Wagner
6879Nun Väterchen! wie stehts? es war kein Scherz.
6880Komm, drücke mich recht zärtlich an dein Herz,
6881Doch nicht zu fest, damit das Glas nicht springe.
6882Das ist die Eigenschaft der Dinge:
6883Natürlichem genügt das Weltall kaum,
6884Was künstlich ist, verlangt geschloßnen Raum.
∞zu Mephistopheles
6885Du aber Schalk, Herr Vetter, bist du hier?
6886Im rechten Augenblick, ich danke dir.
6887Ein gut Geschick führt dich zu uns herein,
6888Dieweil ich bin, muß ich auch thätig seyn.
6889Ich möchte mich sogleich zur Arbeit schürzen,
6890Du bist gewandt, die Wege mir zu kürzen.
∞Wagner
6891Nur noch ein Wort; bisher mußt’ ich mich schämen,
6892Denn Alt und Jung bestürmt mich
mit Problemen.
6893Zum Beyspiel nur: noch niemand konnt’ es fassen
6894Wie Seel’ und Leib so schön zusammenpassen,
6895So fest sich halten als um nie zu scheiden,
6896Und doch den Tag sich immerfort verleiden.
6897Sodann –
∞
Mephistopheles
6897Halt ein! ich wollte lieber fragen:
6898Warum sich Mann und Frau so schlecht vertragen?
6899Du kommst, mein Freund, hierüber nie ins Reine.
6900Hier giebts zu thun, das eben will der Kleine.
∞Die Seitenthür öffnet sich, man sieht Faust auf dem
Lager hingestreckt.
∞Homunkulus
∞
erstaunt
6903Bedeutend! –
∞Die Phiole entschlüpft aus Wagners Händen, schwebt
über Faust und beleuchtet ihn.
6903Schön umgeben! – Klar Gewässer
6904Im dichten Haine, Frau’n die sich entkleiden;
6905Die allerliebsten! – Das wird immer besser.
6906Doch eine läßt sich glänzend unterscheiden,
6907Aus höchstem Helden-, wohl aus Götterstamme;
6908Sie setzt den Fuß in das durchsichtige Helle;
6909Des edlen Körpers holde Lebensflamme
6910Kühlt sich im schmiegsamen Krystall der Welle. –
6911Doch welch Getöse rasch bewegter Flügel,
6912Welch Sausen, Plätschern wühlt im glatten Spiegel?
6913Die Mädchen fliehn verschüchtert; doch allein
6914Die Königin sie blickt gelassen drein,
6915Und sieht, mit stolzem, weiblichem Vergnügen,
6916Der Schwäne Fürsten ihrem Knie sich schmiegen,
6917Zudringlichzahm. Er
scheint sich zu gewöhnen. –
6918Auf einmal aber steigt ein Dunst empor,
6919Und deckt mit dichtgewebtem Flor
6920Die lieblichste von allen Scenen.
∞
Mephistopheles
6921Was du nicht alles zu erzählen hast!
6922So klein du bist, so groß bist du Phantast.
6923Ich sehe nichts –
∞Homunkulus
6923Das glaub ich. Du aus Norden,
6924Im Nebelalter jung geworden,
6925Im Wust von Ritterthum und Pfäfferey,
6926Wo wäre da dein Auge frey!
6927Im Düstern bist du nur zu Hause.
∞umherschauend
6928Verbräunt Gestein, bemodert, widrig,
6929Spitzbögig, schnörckelhaftest, niedrig! –
6930Erwacht uns dieser, giebt es neue Noth,
6931Er bleibt gleich auf der Stelle todt.
6932Waldquellen, Schwäne, nackte Schönen,
6933Das war sein ahnungsvoller Traum;
6934Wie wollt’ er sich hierher gewöhnen!
6935Ich, der bequemste, duld’ es kaum.
6936Nun fort mit ihm!
∞
Homunkulus
6937Befiehl den Krieger in die Schlacht,
6938Das Mädchen führe du zum Reihen,
6939So ist gleich alles abgemacht.
6940Jetzt eben, wie ich schnell bedacht,
6941Ist classische Walpurgisnacht;
6942Das Beste was begegnen könnte
6943Bringt ihn zu seinem Elemente.
∞
Homunkulus
6945Wie wollt’ es auch zu euren Ohren kommen?
6946Romantische Gespenster kennt ihr nur allein,
6947Ein echt Gespenst auch classisch hat’s zu seyn.
∞
Mephistopheles
6948Wohin denn aber soll die Fahrt sich regen?
6949Mich widern schon antikische Collegen.
∞
Homunkulus
6950Nordwestlich, Satan, ist dein Lustrevier;
6951Südöstlich diesmal aber segeln wir –
6952An großer Fläche fließt Peneios frey,
6953Umbuscht, umbaumt, in still’ und feuchten Buchten,
6954Die Ebne dehnt sich zu der Berge Schluchten,
6955Und oben liegt Pharsalus alt und
neu.
∞
Mephistopheles
6956O weh! hinweg! und laßt mir jene Streite
6957Von Tyranney und Sklaverey bey
Seite.
6958Mich langeweilt’s, denn kaum ist’s abgethan,
6959So fangen sie von vorne wieder an;
6960Und keiner merkt: er ist doch nur geneckt
6961Vom Asmodeus der dahinter steckt.
6962Sie streiten sich, so heißt’s um Freyheitsrechte,
6963Genau besehn sind’s Knechte
gegen Knechte.
∞
Homunkulus
6964Den Menschen laß ihr widerspenstig Wesen,
6965Ein jeder muß sich wehren wie er kann,
6966Vom Knaben auf, so wird’s zuletzt ein Mann.
6967
Hier fragt sich’s nur wie dieser kann genesen?
6968Hast du ein Mittel so erprob’ es hier,
6969Vermagst du’s nicht so überlaß es mir.
∞
Mephistopheles
6970Manch Brockenstückchen wäre durchzuproben,
6971Doch Heidenriegel find’ ich vorgeschoben.
6972Das Griechenvolk es taugte nie recht viel!
6973Doch blendet’s euch mit freyem Sinnen-Spiel,
6974Verlockt des Menschen Brust zu heitern Sünden;
6975Die unsern wird man immer düster finden.
6976Und nun was soll’s?
∞
Homunkulus
6976Du bist ja sonst nicht blöde;
6977Und wenn ich von Thessalischen Hexen rede,
6978So denk’ ich hab’ ich was gesagt.
∞
Mephistopheles
∞
lüstern
6979Thessalische Hexen! Wohl! das sind Personen
6980Nach denen hab’ ich lang’ gefragt.
6981Mit ihnen Nacht für Nacht zu wohnen
6982Ich glaube nicht daß es behagt;
6983Doch zum Besuch! Versuch!
∞
Homunkulus
6984Und um den Ritter umgeschlagen!
6985Der Lappen wird euch, wie bisher,
6986Den einen mit dem andern tragen,
6987Ich leuchte vor.
∞
Homunkulus
6987Eh nun
6988Du bleibst zu Hause Wichtigstes zu thun.
6989Entfalte du die alten Pergamente,
6990Nach Vorschrift sammle Lebens-Elemente
6991Und füge sie mit Vorsicht eins ans andre.
6993Indessen ich ein Stückchen Welt durchwandre
6994Entdeck’ ich wohl das Tüpfchen auf das I.
6995Dann ist der große Zweck erreicht,
6996Solch einen Lohn verdient ein solches Streben:
6997Gold, Ehre, Ruhm, gesundes langes Leben
6998Und Wissenschaft und Tugend – auch vielleicht.
6999Leb wohl!