Auf dem Vorgebirg

Trommeln und kriegerische Musick von unten

Des Kaisers Zelt wird aufgeschlagen

Kaiser. Obergeneral. Trabanten
Obergeneral
10345Noch immer scheint der Vorsatz wohl erwogen
Daß wir, in dieß gelegene Thal,
Das ganze Heer gedrängt zurückgezogen,
Ich hoffe fest uns glückt die Wahl.
Kaiser
Wie es nun geht, es muß sich zeigen;
10350Doch mich verdrießt die halbe Flucht, das Weichen.
Obergeneral
Schau hier, mein Fürst, auf unsre rechte Flanke.
Solch ein Terrain wünscht sich der Kriegsgedanke;
Nicht steil die Hügel, doch nicht allzu gänglich,
Den Unsern vortheilhaft, dem Feind verfänglich.
10355Wir, halb versteckt, auf wellenförmigem Plan;
Die Reiterey sie wagt sich nicht heran.
Kaiser
Mir bleibt nichts übrig als zu loben;
Hier kann sich Arm und Brust erproben.
Obergeneral
Hier, auf der Mittelwiese flachen Räumlichkeiten,
10360Siehst du den Phalanx, wohlgemuth zu streiten.
Die Piken blinken flimmernd in der Luft,
Im Sonnenglanz, durch Morgennebelduft.
Wie dunkel wogt das mächtige Quadrat!
Zu Tausenden glühts hier auf große That.
10365Du kannst daran der Masse Kraft erkennen,
Ich trau ihr zu der Feinde Kraft zu trennen.
Kaiser
Den schönen Blick hab’ ich zum ersten Mal.
Ein solches Heer gilt für die Doppelzahl.
Obergeneral
Von unsrer Linken hab ich nichts zu melden,
10370Den starren Fels besetzen wackere Helden.
Das Steingeklipp, das jetzt von Waffen blitzt,
Den wichtigen Paß der engen Klause schützt.
Ich ahne schon hier scheitern Feindeskräfte
Unvorgesehn im blutigen Geschäfte.
Kaiser
10375Dort ziehn sie her die falschen Anverwandten,
Wie sie mich Oheim, Vetter, Bruder nannten,
Sich immer mehr und wieder mehr erlaubten,
Dem Scepter Kraft, dem Thron Verehrung raubten;
Dann, unter sich entzweyt, das Reich verheerten,
10380Und nun gesammt sich gegen mich empörten.
Die Menge schwankt im ungewissen Geist,
Dann strömt sie nach wohin der Strom sie reißt.
Obergeneral
Ein treuer Mann, auf Kundschaft ausgeschickt,
Kommt eilig Felsenab; seys ihm geglückt!
Erster Kundschafter
10385Glücklich ist sie uns gelungen,
Listig, muthig unsre Kunst,
Daß wir hin und her gedrungen;
Doch wir bringen wenig Gunst.
Viele schwören reine Huldigung
10390Dir, wie manche treue Schaar,
Doch Unthätigkeits-Entschuldigung:
Innere Gährung, Volksgefahr.
Kaiser
Sich selbst erhalten bleibt der Selbstsucht Lehre,
Nicht Dankbarkeit und Neigung, Pflicht und Ehre.
10395Bedenkt ihr nicht, wenn eure Rechnung voll,
Daß Nachbars Hausbrand Euch verzehren soll.
Obergeneral
Der Zweyte kommt, nur langsam steigt er nieder,
Dem müden Manne zittern alle Glieder.
Zweyter Kundschafter
Erst gewahrten wir vergnüglich
10400Wilden Wesens irren Lauf;
Unerwartet, unverzüglich
Trat ein neuer Kaiser auf.
Und auf vorgeschriebenen Bahnen
Zieht die Menge durch die Flur;
10405Den entrollten Lügenfahnen
Folgen alle. – Schafsnatur!
Kaiser
Ein Gegenkaiser kommt mir zum Gewinn,
Nun fühl ich erst daß Ich der Kaiser bin.
Nur als Soldat legt ich den Harnisch an,
10410Zu höherem Zweck ist er nun umgethan.
Bey jedem Fest, wenns noch so glänzend war,
Nichts ward vermißt, mir fehlte die Gefahr.
Wie ihr auch seyd zum Ringspiel riethet ihr,
Mir schlug das Herz ich athmete Turnier.
10415Und hättet ihr mir nicht vom Kriegen abgerathen,10415 hättet ] hattet 2 H   (I a)
Jetzt glänzt’ ich schon in lichten Heldenthaten.
Selbstständig fühlt ich meine Brust besiegelt,
Als ich mich dort im Feuerreich bespiegelt,
Das Element drang gräßlich auf mich los,
10420Es war nur Schein, allein der Schein war groß.
Von Sieg und Ruhm hab ich verwirrt geträumt,
Ich bringe nach was frevelhaft versäumt.
die Herolde werden abgefertigt zu Herausforderung des Gegenkaisers.
Faust, geharnischt mit halbgeschloßnem Helme, die drey Gewaltigen, gerüstet und gekleidet wie oben
Faust
Wir treten auf, und hoffen ungescholten;
Auch ohne Noth hat Vorsicht wohl gegolten.
10425Du weist das Bergvolk denkt und simulirt,
Ist in Natur- und Felsenschrift studirt.
Die Geister, längst dem flachen Land entzogen,
Sind mehr als sonst dem Felsgebirg gewogen.
Sie wirken still durch labyrinthische Klüfte,
10430Im edlen Gas, metallisch reicher Düfte;
In stetem Sondern, Prüfen und Verbinden,
Ihr einziger Trieb ist Neues zu erfinden.
Mit leisem Finger geistiger Gewalten,
Erbauen sie durchsichtige Gestalten;
10435Dann im Krystall und seiner ewigen Schweigniß
Erblicken sie der Oberwelt Ereigniß.
Kaiser
Vernommen hab ich’s und ich glaube dir;
Doch, wackrer Mann, sag an: was soll das hier.
Faust
Der Negromant von Norcia, der Sabiner,10439 Negromant ] 2 HNekromant Ec 2 H   (VI)
10440Ist dein getreuer ehrenhafter Diener.
Welch gräulich Schicksal droht’ ihm ungeheuer,
Das Reißig prasselte, schon züngelte das Feuer;
Die trocknen Scheite, rings umher verschränkt,
Mit Pech und Schwefelruthen untermengt;
10445Nicht Mensch, noch Gott, noch Teufel konnte retten,
Die Majestät zersprengte glühende Ketten.
Dort war’s in Rom. Er bleibt dir hoch verpflichtet,
Auf deinen Gang in Sorge stets gerichtet.
Von jener Stund’ an ganz vergaß er sich,
10450Er fragt den Stern, die Tiefe nur für dich.
Er trug uns auf, als eiligstes Geschäfte,
Bey dir zu stehn. Groß sind des Berges Kräfte;10452 Kräfte ] Kräfte 2 IV H.13 Krafte 2 H   (I a)
Da wirkt Natur so übermächtig frey,
Der Pfaffen Stumpfsinn schilt es Zauberey.
Kaiser
10455Am Freudentag wenn wir die Gäste grüssen,
Die heiter kommen heiter zu genießen,
Da freut uns jeder wie er schiebt und drängt,
Und, Mann für Mann, der Säle Raum verengt.
Doch höchst willkommen muß der Biedre seyn,
10460Tritt er als Beystand kräftig zu uns ein,
Zur Morgenstunde, die bedenklich waltet,
Weil über ihr des Schicksals Wage schaltet.
Doch lenket hier, im hohen Augenblick,
Die starke Hand vom willigen Schwerdt zurück
10465Ehrt den Moment, wo manche tausend schreiten,
Für oder wider mich, zu streiten.
Selbst ist der Mann! Wer Thron und Kron begehrt
Persönlich sey er solcher Ehren werth.
Sey das Gespenst, das gegen uns erstanden
10470Sich Kaiser nennt und Herr von unsern Landen,
Des Heeres Herzog, Lehnsherr unsrer Großen,
Mit eigner Faust in’s Todtenreich gestoßen.
Faust
Wie es auch sey das Große zu vollenden,
Du thust nicht wohl dein Haupt so zu verpfänden.
10475Ist nicht der Helm mit Kamm und Busch geschmückt,
Er schützt das Haupt das unsern Muth entzückt.
Was, ohne Haupt, was förderten die Glieder?
Denn schläfert jenes, alle sinken nieder;
Wird es verletzt, gleich alle sind verwundet,
10480Erstehen frisch, wenn jenes rasch gesundet.
Schnell weiß der Arm sein starkes Recht zu nützen,
Er hebt den Schild den Schädel zu beschützen,
Das Schwerdt gewahret seiner Pflicht sogleich,
Lenkt kräftig ab und wiederholt den Streich;
10485Der tüchtige Fuß nimmt Theil an ihrem Glücke,10485–10486 Glücke bis Genicke ] 2 IV H.13Glücke bis Genicke 2 IV H.18 Glück bis Genicke : Glücke, bis Genicke G 2 IV H.13 Glück bis Genick 2 H   (II aa)
Setzt dem Erschlagenen frisch sich ins Genicke.
Kaiser
Das ist mein Zorn, so möcht ich ihn behandeln,
Das stolze Haupt in Schemeltritt verwandeln.
Herolde
kommen zurück
Wenig Ehre wenig Geltung
10490Haben wir daselbst genossen,
Unsrer kräftig edlen Meldung
Lachten sie als schaaler Possen:
„Euer Kaiser ist verschollen,
Echo dort im engen Thal;
10495Wenn wir sein gedenken sollen,
Mährchen sagt: – Es war einmal.“
Faust
Dem Wunsch gemäß der Besten ists geschehn,
Die, fest und treu, an deiner Seite stehn.
Dort naht der Feind, die deinen harren brünstig,
10500Befiehl den Angriff, der Moment ist günstig.
Kaiser
Auf das Commando leist ich hier Verzicht.
zum Oberfeldherrn
In deinen Händen, Fürst, sey deine Pflicht.
Obergeneral
So trete denn der rechte Flügel an!
Des Feindes Linke, eben jetzt im Steigen,
10505Soll, eh sie noch den letzten Schritt gethan,
Der Jugendkraft geprüfter Treue weichen.
Faust
Erlaube denn daß dieser muntre Held
Sich ungesäumt in deine Reihen stellt,
Sich deinen Reihen innigst einverleibt,
10510Und, so gesellt, sein kräftig Wesen treibt.
er deutet zur Rechten.
Raufebold
tritt vor
Wer das Gesicht mir zeigt der kehrts nicht ab
Als mit zerschlagnen Unter- und Oberbacken,
Wer mir den Rücken kehrt, gleich liegt ihm schlapp
Hals, Kopf und Schopf hinschlotternd graß im Nacken.
10515Und schlagen deine Männer dann
Mit Schwerd und Kolben wie ich wüthe,
So stürzt der Feind, Mann über Mann,
Ersäuft im eigenen Geblüte.
ab
Oberfeldherr
Der Phalanx unsrer Mitte folge sacht,
10520Dem Feind begegn’ er, klug mit aller Macht,
Ein wenig rechts, dort hat bereits, erbittert,
Der unseren Streitkraft ihren Plan erschüttert.
Faust
auf den Mittelsten deutend
So folge denn auch dieser deinem Wort.
10524Er bis fort. erg G 2 IV H.18 fehlt 2 IV H.13 2 H   (II b)Er ist behend, reist alles mit sich fort.
Habebald
tritt hervorvor 10525 tritt ] 2 IV H.13Tritt 2 H   (II aa)
10525Dem Heldenmuth der Kaiserschaaren
Soll sich der Durst nach Beute paaren;
Und allen sey das Ziel gestellt:
Des Gegenkaisers reiches Zelt.
Er prahlt nicht lang auf seinem Sitze,
10530Ich ordne mich dem Phalanx an die Spitze.
Eilebeute
Markedenterin, sich an ihn anschmiegend
Bin ich ihm auch nicht angeweibt,10531 ihm auch ] 2 IV H.13ihm auch G 2 IV H.18 2 IV H.13 auch ihm 2 H   (II aa)
Er mir der liebste Buhle bleibt.
Für uns ist solch ein Herbst gereift!
Die Frau ist grimmig wenn sie greift,
10535Ist ohne Schonung wenn sie raubt;
Im Sieg voran! und alles ist erlaubt.
beyde ab
Oberfeldherr
Auf unsre Linke, wie vorauszusehn,
Stürzt ihre Rechte, kräftig. Widerstehn
Wird, Mann für Mann, dem wüthenden Beginnen
10540Den engen Paß des Felswegs zu gewinnen.
Faust
winkt nach der Linken
So bitte Herr auch diesen zu bemerken,
Es schadet nichts wenn Starke sich verstärken.
Haltefest
tritt vor
Dem linken Flügel keine Sorgen!
Da wo ich bin ist der Besitz geborgen,
10545In ihm bewähret sich der Alte,
Kein Strahlblitz spaltet was ich halte.
ab
Mephistopheles
von oben herunterkommend
Nun schauet wie im Hintergrunde,
Aus jedem zackigen Felsenschlunde,
Bewaffnete hervor sich drängen,
10550Die schmalen Pfade zu verengen.
Mit Helm und Harnisch, Schwerdtern, Schilden,
In unserm Rücken eine Mauer bilden,
Den Wink erwartend zuzuschlagen.
leise zu den Wissenden
Woher das kommt müsst ihr nicht fragen.
10555Ich habe freylich nicht gesäumt
Die Waffensäle ringsum ausgeräumt;10556 ausgeräumt ] 2 IV H.20aufgeräumt 2 IV H.13 2 H   (II b)
Da standen sie zu Fuß zu Pferde,
Als wären sie noch Herrn der Erde,
Sonst waren’s Ritter, König, Kaiser,
10560Jetzt sind es nichts als leere Schneckenhäuser.
Gar manch Gespenst hat sich darein geputzt,
Das Mittelalter lebhaft aufgestutzt.
Welch Teufelchen auch drinne steckt,
Für diesmal macht es doch Effect.
laut
10565Hört wie sie sich voraus erbosen,
Blechklappernd aneinander stoßen!
Auch flattern Fahnenfetzen bey Standarten,
Die frischer Lüftchen ungeduldig harrten.
Bedenkt, hier ist ein altes Volk bereit
10570Und mischte gern sich auch zum neuen Streit.
furchtbarer Posaunenschall von oben, im feindlichen Heere merkliche Schwankungnach 10570 Posaunenschall ] Posaunenschall 2 IV H.21a Posauenschall 2 H   (I a)
Faust
Der Horizont hat sich verdunkelt,
Nur hie und da bedeutend funkelt
Ein rother ahnungsvoller Schein;
Schon blutig blinken die Gewehre,
10575Der Fels, der Wald, die Atmosphäre,
Der ganze Himmel mischt sich ein.
Mephistopheles
Die rechte Flanke hält sich kräftig;
Doch seh ich, ragend unter diesen,
Hans Raufbold, den behenden Riesen,
10580Auf seine Weise rasch beschäftigt.
Kaiser
Erst sah ich Einen Arm erhoben,
Jetzt seh ich schon ein Dutzend toben,
Naturgemäß geschieht es nicht.
Faust
Vernahmst du nichts von Nebelstreifen
10585Die auf Siciliens Küsten schweifen?
Dort, schwankend klar, im Tageslicht,
Erhoben zu den Mittellüften,
Gespiegelt in besondern Düften,
Erscheint ein seltsames Gesicht.
10590Da schwanken Städte hin und wieder,
Da steigen Gärten auf und nieder,
Wie Bild um Bild den Äther bricht.
Kaiser
Doch wie bedenklich! Alle Spitzen
Der hohen Speere seh ich blitzen;
10595Auf unsrer Phalanx blanken Lanzen
Seh ich behende Flämmchen tanzen.
Das scheint mir gar zu geisterhaft.
Faust
Verzeih, o Herr, das sind die Spuren
Verschollner geistiger Naturen,
10600Ein Widerschein der Dioskuren,
Bey denen alle Schiffer schwuren,
Sie sammeln hier die letzte Kraft.
Kaiser
Doch sage wem sind wir verpflichtet
Daß die Natur, auf uns gerichtet,
10605Das Seltenste zusammenrafft?
Mephistopheles
Wem als dem Meister, jenem hohen,
Der dein Geschick im Busen trägt?
Durch deiner Feinde starkes drohen
Ist er im Tiefsten aufgeregt.
10610Sein Dank will dich gerettet sehen,
Und sollt er selbst daran vergehen.
Kaiser
Sie jubelten mich pomphaft umzuführen,
Ich war nun was, das wollt ich auch probiren,
Und fands gelegen, ohne viel zu denken,
10615Dem weißen Barte kühle Luft zu schenken.
Dem Klerus hab ich eine Lust verdorben,
Und ihre Gunst mir freylich nicht erworben.
Nun sollt ich seit so manchen Jahren
Die Wirkung frohen Thuns erfahren?10619 erfahren? ] 2 Herfahren auf eingeklebtem Zettel 2 H   (VII)
Faust
10620Freyherzige Wohlthat wuchert reich;
Laß deinen Blick sich aufwärts wenden!
Mich däucht Er will ein Zeichen senden,
Gieb acht, es deutet sich sogleich.
Kaiser
Ein Adler schwebt im Himmelhohen,
10625Ein Greif ihm nach mit wildem drohen.
Faust
Gieb acht: gar günstig scheint es mir.
Greif ist ein fabelhaftes Thier;
Wie kann er sich so weit vergessen,
Mit ächtem Adler sich zu messen?
Kaiser
10630Nunmehr, in weitgedehnten Kreisen;
Umziehn sie sich; – in gleichem Nu,
Sie fahren aufeinander zu
Sich Brust und Hälse zu zerreißen.
Faust
Nun mercke wie der leidige Greif,
10635Zerzerrt, zerzaust nur Schaden findet,10635 Zerzerrt ] Zerrzerrt 2 H   (I a)
Und, mit gesencktem Löwenschweif,10636 gesencktem ] gesenckten 2 H   (II a)
Zum Gipfelwald gestürzt, verschwindet.
Kaiser
Seys, wie gedeutet, so gethan!
Ich nehm es mit Verwundrung an.
Mephistopheles
gegen die Rechte
10640Dringend wiederholten Streichen
Müssen unsre Feinde weichen,
Und, mit ungewissem Fechten,
Drängen sie nach ihrer Rechten
Und verwirren so im Streite
10645Ihrer Hauptmacht linke Seite.
Unsers Phalanx feste Spitze
Zieht sich rechts, und gleich dem Blitze
Fährt sie in die schwache Stelle. –
Nun, wie sturmerregte Welle,10649 sturmerregte ] 2 IV H.8sturmbewegte 2 H C1 41 C3 41 Q sturmerregte Ec 2 H   (II aa, VI)
10650Sprühend, wüthen gleiche Mächte,
Wild in doppeltem Gefechte,
Herrlichers ist nichts ersonnen
Uns ist diese Schlacht gewonnen.
Kaiservor 10654 Kaiser ] Kaiser: 2 H   (VIII)
an der linken Seite zu Faust
Schau! Mir scheint es dort bedenklich,
10655Unser Posten steht verfänglich.
Keine Steine seh ich fliegen,
Niedre Felsen sind erstiegen,
Obre stehen schon verlassen.
Jetzt! – Der Feind, zu ganzen Massen
10660Immer näher angedrungen,
Hat vielleicht den Paß errungen.
Schlußerfolg unheiligen Strebens!
Eure Künste sind vergebens.
Pause
Mephistopheles
Da kommen meine beiden Raben,
10665Was mögen die für Botschaft haben?
Ich fürchte gar es geht uns schlecht.
Kaiser
Was sollen diese leidigen Vögel?
Sie richten ihre schwarzen Segel
Hierher vom heißen Felsgefecht.
Mephistopheles
zu den Raben
10670Setzt euch ganz nah zu meinen Ohren.
Wen ihr beschützt ist nicht verloren,
Denn euer Rath ist folgerecht.
Faust
zum Kaiser
Von Tauben hast du ja vernommen,
Die aus den fernsten Landen kommen,
10675Zu ihres Nestes Brut und Kost.
Hier ist’s, mit wichtigen Unterschieden;
Die Taubenpost bedient den Frieden,
Der Krieg befiehlt die Rabenpost.
Mephistopheles
Es meldet sich ein schwer Verhängniß,
10680Seht hin! gewahret die Bedrängniß
Um unsrer Helden Felsenrand.
Die nächsten Höhen sind erstiegen,
Und würden sie den Paß besiegen,
Wir hätten einen schweren Stand.
Kaiser
10685So bin ich endlich doch betrogen!
Ihr habt mich in das Netz gezogen,
Mir graut seitdem es mich umstrickt.
Mephistopheles
Nur Muth! Noch ist es nicht mißglückt.
Geduld und Pfiff zum letzten Knoten;
10690Gewöhnlich gehts am Ende scharf.
Ich habe meine sichern Boten,
Befehlt daß ich befehlen darf.
Obergeneral
der indeßen herangekommen
Mit diesen hast du dich vereinigt,
Mich hat’s die ganze Zeit gepeinigt,
10695Das Gaukeln schafft kein festes Glück.
Ich weiß nichts an der Schlacht zu wenden,
Begannen sie’s, sie mögen’s enden,
Ich gebe meinen Stab zurück.
Kaiser
Behalt ihn bis zu bessern Stunden,
10700Die uns vielleicht das Glück verleiht.
Mir schaudert vor dem garstigen Kunden,
Und seiner Rabentraulichkeit.
zu Mephistopheles
Den Stab kann ich dir nicht verleihen,
Du scheinst mir nicht der rechte Mann,
10705Befiehl, und such uns zu befreyen;
Geschehe, was geschehen kann.
ab ins Zelt mit dem Obergeneral
Mephistopheles
Mag ihn der stumpfe Stab beschützen!
Uns andern könnt er wenig nützen,
Es war so was vom Kreuz daran.
Faust
10710Was ist zu thun.
Mephistopheles
10710Es ist gethan! –
Nun schwarze Vettern, rasch im Dienen,
Zum großen Bergsee! grüßt mir die Undinen,
Und bittet sie um ihrer Fluthen Schein.
Durch Weiberkünste, schwer zu kennen,
10715Verstehen sie vom Seyn den Schein zu trennen,
Und jeder schwört das sey das Seyn.
Pause
Faust
Den Wasserfräulein müssen unsre Raben
Recht aus dem Grund geschmeichelt haben,
Dort fängt es schon zu rieseln an.
10720An mancher trocknen, kahlen Felsenstelle
Entwickelt sich die volle rasche Quelle,
Um jener Sieg ist es gethan.
Mephistopheles
Das ist ein wunderbarer Gruß,
Die kühnsten Kletterer sind confuß.
Faust
10725Schon rauscht Ein Bach zu Bächen mächtig nieder,
Aus Schluchten kehren sie gedoppelt wieder,
Ein Strom nun wirft den Bogenstrahl,
Auf einmal legt er sich in flache Felsenbreite
Und rauscht und schäumt, nach der und jener Seite,
10730Und stufenweise wirft er sich ins Thal.
Was hilft ein tapfres heldenmäßiges Stemmen?
Die mächtige Woge strömt sie wegzuschwemmen.
Mir schaudert selbst vor solchem wilden Schwall.
Mephistopheles
Ich sehe nichts von diesen Wasserlügen,
10735Nur Menschen Augen lassen sich betrügen
Und mich ergötzt der wunderliche Fall.
Sie stürzen fort zu ganzen hellen Haufen,
Die Narren wähnen zu ersaufen,
Indem sie frey auf festem Lande schnaufen,
10740Und lächerlich mit Schwimmgebärden laufen.
Nun ist Verwirrung überall.
die Raben sind wieder gekommen.
Ich werd euch bey dem hohen Meister loben;
Wollt ihr euch nun als Meister selbst erproben,
So eilet zu der glühenden Schmiede,
10745Wo das Gezwerg-Volk, nimmer müde,
Metall und Stein zu Funken schlägt.
Verlangt, weitläufig sie beschwatzend,
Ein Feuer, leuchtend, blinkend, platzend,
Wie man’s im hohen Sinne hegt.
10750Zwar Wetterleuchten in der weiten Ferne,
Blickschnelles Fallen allerhöchster Sterne,
Mag jede Sommernacht geschehn;
Doch Wetterleuchten in verworrnen Büschen,
Und Sterne die am feuchten Boden zischen,
10755Das hat man nicht so leicht gesehn.
So müßt ihr, ohn’ Euch viel zu quälen,
Zuvörderst bitten, dann befehlen.
Raben ab. Es geschieht wie vorgeschrieben.
Mephistopheles
Den Feinden dichte Finsternisse!
Und Tritt und Schritt in’s Ungewisse!
10760Irrfunken-Blick an allen Enden,
Ein Leuchten plötzlich zu verblenden.
Das alles wäre wunderschön,
Nun aber brauchts noch Schreckgetön.
Faust
Die hohlen Waffen aus der Säle Grüften,
10765Empfinden sich erstarkt in freyen Lüften;
Da droben klapperts, rasselts lange schon,
Ein wunderbarer falscher Ton.
Mephistopheles
Ganz recht! sie sind nicht mehr zu zügeln,
Schon schallts von ritterlichen Prügeln,
10770Wie in der holden alten Zeit.
Armschienen, wie der Beine Schienen,10771 Schienen ] 2 IV H.8 Schienen : schienen G 2 H   (II aa)
Als Guelfen und als Ghibellinen,
Erneuen rasch den ewigen Streit.
Fest, im ererbten Sinne wöhnlich,
10775Erweisen sie sich unversöhnlich,
Schon klingt das Tosen weit und breit.
Zuletzt, bey allen Teufelsfesten,
Wirkt der Partheyhaß doch zum Besten,
Bis in den allerletzten Grauß.
10780Schallt wider-widerwärtig panisch,
Mitunter grell und scharf-satanisch,
10782Erschreckend in das Thal hinaus.
Kriegstummult im Orchester, zuletzt übergehend in militairisch heitre Weisen