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[ Tille Nr. 309: 1778. Theater-Journal für Deutschland

Theater-Journal für Deutschland Sechstes Stück. Gotha bey Carl Wilhelm Ettinger, 1778.

1) Herausgegeben von N. A. O. Reichard. D. H.

S. 18

3.

Doktor Faust:

ein komisches Duodrama, von Schink.

Aus einem Schreiben an den Herausgeber.

Was meinen Sie? Ließe sich das musikalische Duodrama nicht auch komisch behandeln? Ich sollte denken, und habe auch schon 709ein paar Versuche gemacht. Von einem derselben theil’ ich Ihnen hier den Auszug nebst ein paar Scenen mit. Wenn Sie wollen, können Sie sie in Ihrem Theaterjournal abdrucken lassen. Es ist Doktor Faust. Daß Sie aber ja keinen Faust von der Art erwarten, wie ihn Leßing, Göthe und Müller bearbeiten. Zu einem solchen hab ich nicht die Kräfte; [19] auch wär er für meine Absicht ganz unbrauchbar gewesen. Mein Faust sollte nichts seyn, als eine Plaisanterie, ein Witzspiel, ein Ding, das zu lachen macht, und die erste Ausführung der Grille, das musikalische Duodrama komisch zu behandeln. Fausts Monologen, denen ich, so wie überhaupt seinem Dialoge, viel feyerliches, schwärmerisches, und mystisches gegeben haben; Fausts Monologen, sag ich, sollen, im Geschmack der Ariadne, von musikalischen Zwischensätzen begleitet werden. Sonst hab ich’s noch mit Arien, Duetten und Chören vermischt. Hier haben Sie den Auszug.

Erster Akt.

Doktor Faust. Dorinde eine junge, reiche Obersten-Witwe, ein Weibchen von vieler Schönheit, ausgebreiteter Lektüre, witzig und lebhaft; verliebt sich in einen Doktor Faust, der in ihrer Nachbarschaft wohnt. Dieser Faust ist ein Mann, der viel Kopf, viel Gelehrsamkeit hat, ein metaphysischer Grübler, der bis auf eine Schwachheit, die sein Steckenpferd ist, der vernünftigste Mann von der Welt ist. Durch die Lektüre von Geistermysterien, Geisterconversationen u. dgl. hat er seine Einbildungskraft angesteckt, und sich darüber so tief in die schwarze Kunst hineinstudirt, daß Donkischott nicht mehr für sein Ritterlichen Abendtheuer gestritten haben kann, als Faust sich seiner Geister, und ihrer Macht und Wirkung auf die Körperwelt, annimmt. Dorinde, die diese seine Narrheit kennt, und der es leid thut, daß ein sonst so gescheider Mann ein Narr seyn soll, beson- [20] ders, da er nicht übel gewachsen, und wie sie findet, eine ganz artige Figur ist; entschließt sich, aus christlicher Liebe und Mitleiden, ihn von seiner Thorheit zu heilen. Sie glaubt das nicht besser bewerkstelligen zu können, als wenn sie seinem Steckenpferde eine Zeitlang Futter giebt. Narrheit und Genie, denkt sie, stehen immer beysammen, und einem Genie kann man das albernste Zeug von der Welt weiß 710machen, zumal, wenns sein Steckenpferd betrift. Sie hüllt sich also in Mannskleider, geht zum Faust, der eben sein Steckenpferd nach herzenslust herumspringen läßt, und giebt sich bey ihm für einen Studenten aus, der sich in die Geistermysterien einweihen lassen will. Da haben Sie ein Stückchen von dieser Scene.

Rosalinde.

Verzeih, großer Mann, wenn ich Dich im Forschen nach Wahrheit störe, wenn ich Deinen Flug nach Weisheit unterbreche.

Faust. Wer bist Du, Fremdling? was willst Du?

Rosalinde. Der Ruf von Deinem großen Geiste scholl auch zu mir. Ich hörte Deinen Namen von der Weisheit nennen. Europa bewundert Dich, alle Welt spricht von Deinem erhabenen Geist mit Erstaunen. Man nennt Dich das höchste Maaß geistiger Kräfte. Ich komme, zu Deinen Füßen zu sitzen, und Weisheit zu lernen.

Faust. Willkommen, Jüngling, wenn Dich die Geister geweiht haben, will ich mit Dir theilen, was [21] ich weiß. Ich liebe den Durst nach Wahrheit, und Gier nach Weisheit ist meinem Herzen lieblicher, als Gold. Setze Dich, Freund, und entdecke mir Deinen Stand.

Rosalinde. Ich danke Dir, großer Mann, daß Du mich würdig hältst, Dein Zögling zu werden. Ich habe mich den Wissenschaften geweiht, gern gelernt im Tempel der Musen – suchte Wahrheit. –

Faust. Und fandst sie nicht? Ich glaube Dir. Auch ich habe lange geforscht, durchwanderte alle Künste und Wissenschaften. Ich ward Theolog; schlug nach, durchdachte alles, prüfte alles, Polemik, Exegese, Dogmatik; alles Tand! nichts, das Gottheit witterte! Ich ward Jurist; wollte Gerechtigkeit kennen lernen, und lernte Gerechtigkeit verdrehen; fand einen Götzen von den Händen des Eigendünkels und des Intresse geformt, Bastard der Gerechtigkeit, nicht sie selbst. Ich ward Arzt; wollte menschlichen Bau kennen lernen, lernen die Mittel, dem menschlichen Gebäude nachzuhelfen, wenn es sinkt; aber ich fand nicht, was ich suchte, fand nichts, als die Kunst: den Menschen nach Methode zu morden. Ich ward Philosoph; wollte Menschenseele kennen 711lernen, Wahrheit beym Flügel ergreifen, Weisheit bey der Stirn fassen; und fand Schatten, Dunst; Narrheit in ein System geknetet.

Lange sucht’ ich Dich vergebens,

dich, die Seele unsers Lebens –

Weisheit! und ich fand dich nicht.

So laß endlich Dich doch finden,

[22] laß einmal den Nebel schwinden!

Tränke mich mit Deinem Licht.

Rosalinde. Großer Mann, Du denkst gerade in meine Seele. Ich habs auch so gefunden. Alle menschliche Weisheit scheint mir Thorheit, und all ihr Wissen Marktschreierey. Die Gelehrten kommen mir vor, wie die hölzernen Komödianten im Puppenspiel. Alles Drathpuppen, Kopf und Hand nach dem Faden bewegend; weder selbst denkend, noch selbst redend, immer aus einem fremden Hals tonirend. Und das alles mit einer solchen Perückensteifigkeit, daß man sich über die hölzernen Herrgötter aus dem Athem lachen muß. Steif wie ihre Manschetten, kraus wie ihre Perücken, und voll Falten, wie ihre Kragen.

All ihr Wesen Puppenspiel.

Was sie thun, und was sie handeln;

stets nur gehen, stets nur wandeln,

wie der liebe Faden will;

Hand bewegen, Köpfgen nicken,

Körper drehen, Füßgen rücken,

wie im lieben Puppenspiel –

ohne Zweck und ohne Ziel.

Faust. Du hast Kopf, junger Mann, die Geister scheinen dich geweiht zu haben. Bist willkommen! Jenseits lieber Jüngling liegt der Tempel der Wahrheit, schweb’ über die Lüfte, auf der Erde findest Du seine Spur nicht.

Rosalinde. (bekümmert) Aber lieber Doktor, wie werden wir da hinauf kommen? Flügel haben wir nicht, und denn möcht uns die Luft da oben auch nicht allzu- [23] wohl bekommen. Wahrscheinlicher Weise, möchten wir uns da einen greulichen Schnupfen hohlen, und hätten doch wohl nicht einmal an den Drücker der Thür des Tempels der Wahrheit gefaßt.

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Faust. (mit Pathos) Dahinein zu dringen gehört Festigkeit, gestählter Geist. Man schöpft nicht auf einmal. Man muß lange schöpfen aus den Bächen der Weisheit, ehe man Gold findet. Aber dazu gehört Abschütteln des sinnlichen Stofs. Denn Sinnlichkeit ist eine Leimruthe, die Seelenflügel bleiben dran kleben, wenn sie zur Sonne soll. Wirf also diesen schadhaften Theil von Dir, Jüngling, ausbade Dich zuvor im Quell der Wahrheit.

Rosalinde. Ja, wenn ich nur wüste: wo er flöße – ich hätte mich schon längst darinn baden wollen.

Faust. Jenseits, neben dem Tempel.

Rosalinde. Jenseits? wenn nur die Tour bis jenseits nicht gar so abscheulich weit wäre. Posten gehen da nicht hin, fliegen können wir auch nicht. Und denn fürcht’ ich, Hr. Doktor, jenseits ist ein greulicher Wind.

Faust. Ernsthaft, Jüngling! Wahrheit läßt sich nur von dem Denker, nicht von dem Lacher finden.

Rosalinde. Und ich, Herr Doktor, meine, das wäre grade die beste Weisheit, die einen aus vollem Halse lachen macht.

Faust. Du sprichst wie ein Weib.

[24] Rosalinde. (beyseite) Da hat er Recht!

Faust. Glaube mir, mein Sohn, die Weisheit –

Rosalinde. (ihm einfallend). Schlendert gemeiniglich mit der Thorheit zusammen.

Faust. Welcher Wahn!

Rosalinde. Kein Wahn! Ich habe große Geister gekannt, die eine große Portion Narrheit mehr hatten, als gemeine Erdenmenschen. Aber sie hingen ihr den Mantel der Weisheit um; steckten ihr den Kopf in eine Knotenperücke, und den Hals in einen Kragen. Leute, die den Pferdefuß hinten nicht sahen, machten freylich den falschen Götzen große Bücklinge. Aber lieber Herr Doktor, man träumt nicht immer, man wacht einmal auf.

Faust. Ich erstaune über Dich, Dein Mund fließt über von Wahrheit und Irrthum, von Geist und von Wahnsinn.

Rosalinde. Wahrhaftig, Herr Doktor? Nun da bin ich ein ausgemachter großer Geist.

Faust. Du hast eine spöttische Ader.

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Rosalinde. Die kann nicht fehlen, wenn man mit so vielen Weisen umgegangen ist, wie ich. Wahrhaftig, im Umgang mit ihnen hat man Stof zu Epigrammen, die Hülle und Fülle. Keine närrischere und kurzweiligere Art Thiere, als sie! Sagen Sie selbst, Herr Doktor, können Sie’s längnen?

[25] Von dem großen Plato an

bis zu’n Weisen unsrer Zeiten,

hatten alle, Mann für Mann,

ihre große Albernheiten;

gieng die Thorheit auf die Freyte,

wurden Weise ihre Beute –

Hatten vor gemeinen Narren

nicht ein Jota zum Voraus;

ausser, daß die weisen Herren,

(grau am Bart, und grau an Haaren,)

Narren mit Methode waren.

Faust. Junger Mensch, du witzelst zu viel, haschst zu mühsam nach Laune. Witz läßt sich nur überraschen, man muß ihn nicht suchen. Ueberdem ist Witz nur ein Gallakleid, man kanns nur bey schönem Wetter tragen – aber Wahrheit schützt immer ihren Mann, seys Sturm oder Sonnenschein. Ein witziger Einfall ist Gold wehrt – aber es geht mit den witzigen Einfällen, wie mit den Schmetterlingen, man fängt selten einen, der des Rennens darnach verlohnte. Junger Most und falscher Witz, lassen sich gut mit einander gleichen, beyde sprudeln, – Wahrheit hingegen fließt sanft wie Thau über Rosen.

Rosalinde. Und Thau, Herr Doktor, ist – Wasser.

Faust. Unerträglicher Witzling! wenn Du nur darum kamst, so geh nur wieder. Ich dachte, Du wolltest Weisheit lernen? Aber Weisheit ist keine Buhlschwester, sie und der Witz schlafen nicht bey einander.

Sittsamkeit ist ihr Geschmeide,

und die Unschuld ihr Gewand;

[26] Ernst und unbescholtne Freude,

Geist und richtiger Verstand

sind ihr Putz, nicht buhlrisch Lachen –

Licht gießt sie in’n Busen hin;

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froh und glücklich will sie machen,

ist des Herzens Siegerin,

und nicht Sinnetäuscherin.

Rosalinde. Eben die Weisheit such ich, Herr Doktor – aber ich kann sie nicht leiden, wenn sie den Doktormantel umhängt – diese trockne Dame war nie meine Göttin! an den Altären der lachenden Weisheit schwur ich – ihre Pflichten sind Blumenfesseln, und ihr Joch leicht wie Rosen. – Und sehen Sie, Herr Doktor – damit Sie mich wegen meiner närrischen Aussenseite nicht schief beurtheilen dürfen – lesen Sie das Buch! (Faust durchblättert es und giebt seine Bewunderung zu erkennen) Sie machen große Augen? He, Herr Doktor, hätten Sie das in dem spöttelnden Witzling gesucht? Sehen Sie wohl, daß der nicht immer ein Narr ist, der zu lachen macht, und daß in der Kappe des Ernstes oft die meiste Thorheit stekt? u. s. w.

Hier brech ich diese Scene ab und fahre mit meinem Auszuge fort. Faust findet, daß Rosalindens Buch, eine Anleitung zur Geisterbeschwörung ist – er nimmt es, studirts und prüfts. – Man kann denken, daß ein Buch, das seinem Steckenpferde so viel Nahrung giebt, seine Vernunft, die sonst die Possen leicht entdecken dürfte, unterdrückt, und daß er nun voll von der kühnen Idee, mit Geistern Konversation zu halten, auf nichts weiter denkt, als die Beschwörungen vorzunehmen. Er entdeckt [27] sich Rosalinden, diese freut sich, daß sie ihre Absicht erreicht hat, zieht sich eine Teufelsmaske an, und da Faust seine Beschwörungen macht, läßt sie in der Ferne, wo ein paar Knaben, die sie von der Maskerade unterrichtet, folgendes Chor von Teufeln singen.

Chor.

Wer rief uns? wer rief aus kochenden Gründen?

wer uns, aus Finsterniß schwangern Schlünden?

wer uns, aus rasselnden Flammen empor?

Faust.

Recitativ accomp.

Welche Stimme? was hör ich? ihr Schweben?

sie kommen, die Geister – sie kommen. – Welch Beben

ergreift mich! Nacht sinkt herab!

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Wo seyd ihr? mein Auge deckt Dunkel; fall ab

Decke der Nacht! Tag gehe auf!

Geister der Tiefe aus euren Schlünden herauf!

Chor.

Wir kommen, wir kommen im Mondenlichtschimmer,

hier sind wir, was willst Du? gebiete nur immer.

Wir hören, und kommen vom Abgrund empor.

Faust. Aber wer seyd ihr? ich höre eure Stimme, und doch seh ich euch nicht.

Rosalinde (als Teufel, tritt auf.) Du hast gerufen? Was willst Du?

Faust. Wer bist Du?

[28] Rosalinde. Rufst Du die Geister und erkennst sie nicht?

Faust. Aber warum Du allein? ich höre der Stimmen viel.

Rosalinde. Auch sind sie alle hier, nur unsichtbar.

Faust. Warum nicht alle sichtbar?

Rosalinde. Weil Du an mir genug hast – doch wenn Du mich nicht brauchen kannst, so wird einer nach dem andern in sichtbarer Gestalt Deine Befehle erwarten?

Faust. Nun, woher nahmst Du Deinen Flug?

Rosalinde. Neunmal so viel Stunden tief, als die Welt steht, wohn ich unter der Erde – da hört ich Deinen Ruf, flog auf, schlug mit meinem Flügel ein paar Sonnen aus einander, deckte mit einem Süden, mit dem andern Osten. Riß ein paar Myriaden Fixsterne aus ihrer Axe, und schmetterte eine ganze Nachwelt ins Nichts. Während meines Flugs dacht ich, daß ich Dir nicht in meiner nächtlichen Gestalt erscheinen dürfte, ein einziger Blick würde Dich zermalmt, und alle Deine Gebeine zertrümmert haben. So dacht ich, und fühlte, daß ich den Saturn auf dem Rücken trug, ich schüttelte ihn ab, und da blieb ich denn mit der Fußsohle an einer Wolke hangen, die nahm ich statt eines Mantels um, und so komm ich zu Dir.

Faust. Ha! Du bist ein Teufel, ich erkenne Dich an deinem Prahlen.

[29] Rosalinde. Prahlen? Soll ich im Wirbelwird über Dich fahren? Zerstreuen Dein Gebeine hinauf zum Jupiter, bis hinab 716zum Orkus? soll ich? Ohnmächtiger, sprich mit mehr Ehrfurcht, wenn Du zu Geistern redest!

Faust. Du bist kein schlechter Teufel, Du drohst auch.

Rosalinde. Drohen? Im Nu mach ich wahr, was ich sagte. Nicht ein Stäubchen Deines Leibes, nicht ein Quentchen Deines Bluts sollst du übrig behalten. Will die Erde zusammenwickeln wie Leinwand, brüllen, daß der Donner Westwindssäuseln dagegen seyn soll, und der Sturm leises Rauschen eines seidenen Gewandes. Rede mit Ehrfurcht, Sklav, oder zittre.

Faust. Nu, der Teufel verleugnet sich doch nie; Worte wie Meereswogen, und Gedanken, wie Sandkörner. Aber laß doch sehen, was Du kannst, zaubre einmal ein Elysium her.

Rosalinde. Sachte, Herr Doktor, der Teufel ist nicht so dumm, machts nicht wie ihr. Ihr kramt eure Künste und euer Spinngewebe von Weisheit gleich aus, ohne Grund, ohne Vortheil, blos um euch sehen zu lassen. Wir nicht.

Faust. Was willst Du denn, das ich thun soll?

Rosalinde. Erst schwöre, daß du mein seyn willst, mein seyn willst nach zwölf Jahren. Schreib das, mit Deinem Blute zeichn’ es hin – dann bin ich zu Deinen Diensten.

[30] Faust. Teufel, was willst Du? Dir schwören Dein zu seyn – meinst Du – ich rase?

Rosalinde. Gerast hast Du lange, gerast als Du mich riefst, Du vertraust Dich Teufeln an, ist das nicht Raserey?

Faust. Ich glaube gar du predigst.

Rosalinde. Ja, und Beßrung. Wahrlich wenn Du die vom Teufel nicht lernst, so lernst Du sie nimmer. Aber der Kontrakt?

Faust. Ich will nicht.

Rosalinde. Nun so bleib, wie Du bist, laß Dich auslachen. Denn ausposaunen will ichs im Nordsturm, daß Du ein Narr bist, ein feiger, elender Narr, und der nicht einmal das Herz hat, eine Narrheit, die er angefangen hat, zu vollenden. Niedrige, feige Seele!

Faust. Tod und Hölle, das sagt mir ein Teufel. Aber spotte Du nur, ich unterschreibe nicht. Ich bin und bleibe frey.

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Rosalinde. Meinst Du? und hab Dich beym Schopf. Einen Athemzug gieb dem Teufel, und Du entkommst ihm nicht mehr, er faßt Dich, und sollt’s beym letzten Röcheln seyn. Schon lange hatt’ ich Deine Seele beym Wirbel, ich gab Dir Deine Raserey ein, spielte Dir das Buch in die Hände – ich. Elender, kannst Du mir noch entgehen?

Faust. Aber, wenn ich nun nicht will – nicht unterschreiben will, was hast Du für Recht?

[31] Rosalinde. Was für Recht? Also, daß Du mich für nichts, und wieder nichts von meinem Felsenthron herauf riefst, mich entrissest dem Jubelklang der Donner da unten, dem Brüllen der erschlagnen Geister? Das rechnest Du für nichts. Meinst, könntest mich mit einer langen Nase wieder heimschicken? Glaub, Satan steht um keine so arme Menschenseele auf, wenn er ihrer nicht gewiß ist. Gut! unterschreib nicht. Aber sieh, stürzen will ich Dich in Staub, schlagen Dich mit Wunden und Beulen; Dich zum Ekel aller Menschen, zum Spott der Knaben und zum Mährchen der alten Weiber machen. Willst du das? Schreibst Du, sieh, so bist Du Herr über die ganze Welt; herrschst über Meer und Land; bist zwölf Jahre lang das Steuer der Erde; bist Schöpfer; wirst geschmeichelt von Weibern, wirst angebetet von Sklaven, die Dir den Staub von den Füßen lecken. Wähle!

Faust. Ich wähle! gieb her. (unterzeichnet). Und was nun.

Rosalinde. Nichts.

Faust. Betrüger.

Rosalinde. Warte erst ab. Ein König über die Welt ist nicht so gleich gemacht. Bist Du Doktor aller Fakultäten und weißt das nicht?

Faust. Teufel, ich begreif Dich nicht.

Rosalinde. Das glaub ich. Teufel und Weiber studirt kein geschafnes Wesen. Sie sind, wie der Friede Gottes, höher denn alle Vernunft.

[32] Faust. Teufel, Dein Witz –

Rosalinde. Macht Dich erstaunen? er sollte nicht, wahrhaftig nicht. Deines gleichen, nur witzige Köpfe, kommen ja am meisten zu uns. Wer sollte da nicht lernen? Aber ich muß wieder 718fort. Mitternachts komm ich wieder! da sollst Du mich näher kennen lernen. Adje! (ab)

Chor.

Wieder zur Höllen

ihr lüftgen Gesellen!

Er ist geschlossen,

mit Blute beflossen

der festliche Bund.

Faust.

Wo seyd ihr, ihr Schatten?

Wo schwebt ihr, ihr Schatten?

Wo seyd ihr, ihr Lieben?

Ich hab ihn geschrieben

den festlichen Bund.

Chor.

Wir habens vernommen,

sind darum gekommen.

Jetzt fahren wir wieder

zum Abgrund hernieder,

zum köstlichen Schmauß.

Faust.

Doch müßt ihr mir halten,

ihr lüftgen Gestalten,

[33] den Bund, der geschlossen,

mit Blute beflossen;

ich bitt es mir aus.

Chor.

Wir werden es halten

wir Geistergestalten,

juchheia zur Höllen,

ihr lüftgen Gesellen!

zum köstlichen Schmauß.

(Hier schließt der erste Akt.)

Zweiter Akt.

Es ist Nachts nach zwölfen. Rosalinde tritt auf und lacht in einem Monologe über Fausts Steckenpferd, und seine Schwach 719heit, sich so alberne Dinge weiß machen zu lassen, sie beschließt zugleich, ihre Komödie so lange fortzuspielen, bis sie ihren Zweck erreicht hat. Indem sieht sie den Doktor kommen, und geht, ihre Teufelsmaske wieder anzulegen. Faust, voll von der ersten Erscheinung des vermeinten Teufels, ist in tiefen Betrachtungen versunken, und wirrt sich in ein Labyrinth von Gedanken, Zweifeln, Muthmaßungen, Hoffnungen und Phantasien herum. (Dieser Monolog ist mit musikalischen Zwischensätzen). Jetzt tritt Rosalinde als Teufel auf, das giebt dann folgende Scene.

Rosalinde. Faust.

Faust. Ha Du! willkommen! Nun, verrichte Deine Dienste, verwandle dieses Haus in einen Pallast.

[34] Rosalinde. Das kann ich nicht.

Faust. Was? Den Augenblick! Laß Rosenhecken hervorgehen, duftende Jasminlauben. Schaff rieselnde Quellen hierher, mach diesen Saal zu Elysium.

Rosalinde. Wenn ich das könnte!

Faust. Narre mich nicht länger. Trag mich auf Flügeln des Windes zu Arragoniens schöner Königinn, daß ich ihre Knie umfaße, küsse die Spitzen ihrer seidnen Finger.

Rosalinde. Auch das kann ich nicht.

Faust. Thürme Arabiens Schätze vor mir auf, schaff Indiens Gold her.

Rosalinde. Das kann ich noch weniger.

Faust. Windiger Prahler! was kannst Du denn?

Rosalinde. Null mit Null geht auf – nichts!

Faust. Machtloser Teufel! wenn Du nichts kannst, was willst Du denn hier?

Rosalinde. Dich fragen: ob Du fertig bist?

Faust. Fertig? Wozu?

Rosalinde. Zum Abmarsch!

Faust. Zum Abmarsch!

Rosalinde. Nun ja, was starrst Du? Weißt Du nicht mehr, was Du versprachst?

Faust. Teufel!

[35] Rosalinde. Ja, ich bin einer – marsch!

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Faust. Sind das die zwölf Jahre, kaum ein Punkt der bestimmten Zeit.

Rosalinde. Punkt? Der Weise läßt nicht den Punkt eines Augenblicks ungenossen vorbey. – Wir Teufel auch nicht – jeder muß uns eine Seele bringen, wer hielte sonst die Langeweil der Ewigkeit aus?

Faust. So seyd ihr auch Sophisten, ihr Teufel?

Rosalinde. O die ausgemachtesten, wir haben die Sekte gestiftet.

Faust. Und Du willst nicht erfüllen, was Du versprachst?

Rosalinde. Ha, he, he!

Faust. Du lachst?

Rosalinde. Muß ich nicht, armer Doktor?

Faust. Geist der Finsterniß, willst Du Wort halten?

Rosalinde. Wort halten, ein Teufel? Ha, he, he!

Faust. Sklavischer, ohnmächtiger Geist, Du vermagst nicht.

Rosalinde. Freylich nicht! o daß Weißheit so zum Kinde werden kann. So was überlegt der große Mann erst nachher, was er mit Händen hätte greifen können, was ein Kind mit Händen greifen kann. Aber nun kömmt Dir die Weisheit zu spät. Wenn die Gefahr von ferne droht, denn flieh! nicht wenn sie Dir auf der [36] Ferse sitzst, oder wenn Du schon bis über die Ohren drein steckst. Das ist eine Teufelsmoral, und ich will den von euren Pfaffen sehn, der eine bessere geben kann.

Faust. Der Teufel ein Sittenlehrer – unbegreiflich.

Rosalinde. Ja, und aus bloßem Mitleiden zu Dir, ’s geht ja mit Dir zu Ende, will deinen Beichtvater vorstellen.

Faust. Elender! mich so zu betrügen.

Rosalinde. Armer Thor! der Du Teufel für Schöpfer hälst, die selbst Geschöpfe sind. Hingeworfen in Abgrund, an ewigen Ketten geschlossen, niedergebengt zum Sklavenstand, und sollen Schöpferkraft haben, Allmacht! Ha, he, he.

Faust. Hämischer, tückscher Betrüger! elender Teufel!

Rosalinde. Das wär ich, wenn ich Wort hielt’, kennst Du den Teufel nicht besser? Muß Dirs schon Deine Amme gesagt haben, daß der Teufel ein Vater der Lügen ist. Ha, ha, ha.

Faust. Und Du lachst noch?

721

Rosalinde. Aus vollem Halse. Ueber eure Thorheiten zu lachen, ist ein Fest für uns Teufel.

Faust. Weh mir!

Rosalinde. Nun fort!

Faust. O des schrecklichen Erwachens vom Traum, des schrecklichen Erwachens zum Elend!

[37] Rosalinde. Spaß Du nicht mit Teufeln, die lohnen nicht anders.

Faust. O hab Erbarmen.

Rosalinde. Erbarmen? Das kennt kein Teufel: Menschen kennen’s nicht, und wir sollten’s?

Faust. O was hab ich gethan – Verderben gefunden, und suchte Wahrheit.

Rosalinde. Thorheit, sage. Zu viel wissen wollen bringt Gefahr. Weisheit ist nur sehr wenig in der Welt, und wer mit wenig Wissen nicht zufrieden ist, umarmt endlich ein Hirngespinst statt Wahrheit. Nimm Dir das zur Lehre vom Teufel. Zu weit getriebne Wißbegierde ist der festeste Strick, mit dem Satan ins Verderben zieht, wem er den um den Hals geworfen hat, entgeht ihm nicht leicht. Hast die Erfahrung an Dir selbst.

Faust. Sagst Du uns das, Sklav? und bist selbst so tief gefallen.

Rosalinde. Eben deswegen. Der moralisirt immer am besten, der selber in die Grube stürzte. Auch der Teufel fiel, weil er zu viel wissen wollte. Und nun fort.

Faust. Unmöglich!

Rosalinde. Du must.

Faust. Nur noch einen kurzen Raum.

Rosalinde. Keine Minute.

Faust. Entsetzen!

[38] Rosalinde. Nu Faust, Du sollst sehen, daß ich ein honorabler Teufel bin. Hör, ich will Dir ein Weib über den Hals schicken, Griechenlands Helena. Wenn Du vermagst, ihrer Schönheit zu widerstehen: so bist Du frey und frank vom Kontrakt, so will ich ihn zerreissen. Widerstehst Du nicht, so bleibts beym Alten.

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Faust. O sende sie, und wenns die Göttin der Liebe selbst wäre, ich widersteh ihr gewiß.

Rosalinde. Nicht das Ding so auf die leichte Achsel genommen, glaub mir: der Teufel, wenn er am sichersten verführen will, kriecht er in ein Weib. Daß Deine Stamm-Mutter Eva sich vom Teufel verführen ließ, das wundert mich gar nicht, aber daß Eva den Satan nicht verführte, das wundert mich. Nimm Dich also in Acht mit dem Weibe. (Rosalinde ab).

(Faust bleibt, und überlegt in einem von Musik begleiteten Monologe, seine Thorheit: mit Geistern der Finsterniß in ein Bündniß getreten zu seyn. Er sucht sich gegen die bevorstehende Versuchung zu stählen, indem tritt Rosalinde in der Maske der Helena auf, und hebet die Scene, mit folgender Arie an, in der der Komponist allen Zauber der Verführung zu legen suchen muß).

Rosalinde.

Rosen blühen, Nelken düften,

Balsamhauch schwimmt in den Lüften,

Wohlgeruch steigt auf vom Thal;

Freude winket überall.

Lerchen trillern, Nachtigallen

lassen süße Lieder schallen,

[39] Liebe winkt, o Jüngling Dir,

höre, und gehorche ihr.

Faust. Welche Töne! wie zaubrisch! ha, das ist sie, Himmel welche Schönheit! das Lächeln der Liebe schwimmt in ihren Augen, auf ihren Wangen glüht Morgenroth, und auf ihren Lippen Florens Kinder. Sie kömmt näher, o ich darf sie nicht ansehn, oder ich bin verlohren.

Rosalinde. Sieh mich, liebenswürdiger Sterblicher! laß Dich mein Auge zur Liebe laden.

Faust. Weg Weib des Verderbens, weg!

Rosalinde. Ich Dich verderben? Womit sollt ich das? Mit diesem Blick voll Liebe? Sieh mich doch an.

Faust. Weg!

Rosalinde. Nur einen Blick. (Faust hat den Blick auf den Boden gesenkt, sie faßt ihn am Kinn und rückt ihm das Gesicht in die Höhe.) Nur einer, sieh mich doch an.

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Faust. Himmel! mit den Spitzen ihrer Finger schlagen elektrische Funken in meine Seele. O was wirds erst werden, wenn ihre Augen den meinigen begegnen. Weib, laß mich, willst Du mich nicht ins Elend stürzen.

Rosalinde. Dich ins Elend stürzen? Närrchen sieh doch her.

Faust. Himmel und Seeligkeit! was für ein Glanz!

[40] Rosalinde. Nun, war das Blick voll Verderben?

Faust. Nein, Elysium saß darin mit allen seinen Freuden. Aber das macht eben mein Elend. Säße Hölle darin, so könnt ich ihm widerstehen. Aber, wer vermag diesem Zauber zu widerstehen? O als der Schöpfer Dich bildete, schlug er einen Funken aus der Sonne und schuf Dein Auge. Weib, Du bringst mich um Ruhe, um Seeligkeit, gießst Jammer in meine Seele.

Rosalinde. Faust, meinst Du, daß ich das könnte? Laß Dirs diesen Händedruck sagen.

Faust. O weh! ich bin verlohren. Ich fühl durch alle meine Adern verderbendes Feuer.

Rosalinde. Wart, ich wills löschen. (küßt ihn).

Faust. Aus, aus mit mir. Unwiderruflich mein Elend. O Helena, flieh, laß mich.

Rosalinde. Und Du könntest mir widerstehen? Könntest mir Liebe versagen? Sieh alle diese Reitze sind Dein, alle diese Blicke der Liebe. Kannst Du den seeligsten Trieb des Lebens verachten, die allgemeine Stimme der Natur?

Hörst Du nicht in Rosenbüschen

Nachtigallen Liebe singen?

Hörst Du nicht aus Veilchen-Nischen

leise Weste Liebe zischen?

Hörst Du nicht auf Rosensitzen

stille Grillen Liebe schwirren?

Nicht auf grüner Bäume Spitzen

Sanfte Täubchen Liebe girren?

[41] Warum sollten Rosen glühen,

warum Hyazinthen blühen?

Sollst sie brechen, ihren Duft

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Liebe athmend in Dich ziehen!

warum wär auf diesen Wangen

sonst der Frühling aufgegangen?

Sollst sie küssen, selbst in Küssen

ganz in Seeligkeit zerfliessen,

darum winkt die Liebe hier.

Und Du widerständest ihr?

Faust. Halt’ Sirene, halt’, ich bin Dein! O um ein Lächeln, um einen Kuß von Dir will ich Jahrtausende im Feuermeer rasen, Ewigkeiten mich im Schwefelstrom tauchen, und voll Deiner Umarmung, trunken von Deinem Kuß doch Seeligkeiten fühlen, doch Himmel tragen in meinem Herzen. – O laß mich, laß mich hangen an Deinen Lippen, vergehn im Wonnegenuß! laß mich!

Rosalinde. Hab ich Dich? Armer Faust? Helena und der Teufel sind eins.

Faust. Wehe! wehe!

Rosalinde. Nun bist Du mein, und ich lasse Dich nicht, lasse nicht ein Fäserchen von Dir. Da ist Dein Kontrakt, mit Deinem Blut unterzeichnet, Du bist mein.

Faust. Ich Unglücklicher! Elend ohne Ende, Jammer und Quaalen ohne Nahmen! O du falscher, schadenfroher Teufel!

Rosalinde. Nein, Faust, ein spaßhafter, kein schadenfroher Teufel, und wahrlich, ein recht guter Teu- [42] fel. Hören Sie mich nur Doktor, sagen Sie mir, kennen sie nicht eine junge Frau auf ihrer Nachbarschaft, Namens Rosalinda, eine Obersten-Witwe?

Faust. Dem Ruf nach, hab viel von ihrem Geist, ihrem Witz gehört. Aber was soll die hier?

Rosalinde. Nun Herr Doktor, der Student der heut bey Ihnen hören wollte, der Teufel, den sie citirten, Helena und Rosalinde machen Ihnen ihr Compliment, denn alle sind Eins.

Faust. Was?

Rosalinde. Ja, Herr Doktor, ganz richtig. Ich hatte mich in Sie verliebt. Ihre Narrheit mit der schwarzen Kunst gieng mir zu Herzen. Ich entschloß mich, Sie davon zu kuriren, und so spielt’ ich Ihnen die Komödie. Wenn Sie sich nun so einen 725Teufel wie ich bin, mit Leib und Seele ergeben, und zum Recompens ein Vermögen von 20000 Thaler dafür rechnen wollen, so steh ich zu Diensten. Und daß Sie nicht etwa Anstand nehmen – da ist Ihr Kontrakt, Sie dürfen nicht zurück – Sie sind mein, unwiederruflich mein.

Faust. Weib! Engel! o meine Narrheit – wie schön hast Du mich geheilt. Und Du könntest mich lieben?

Rosalinde. Nun, warum nicht? wozu denn alle meine Maskeraden, wenn Liebe nicht im Spiel war?

Faust. O du gütiges, himmlisches Weib: daß ich nicht sterben kann vor Freuden.

[43] Rosalinde. Damit wäre mir nicht gedient. Ueberlassen Sie das den Poeten, Herr Doktor, die sterben gar zu gerne für ihre Damen. Sie haben das nicht nöthig, auch bin ich keine grausame Prinzeßin.

Faust. Süsses, süsses Geschöpf.

(Hier folgt ein Duett, und das Duodram schließt.)

S. 104 Innhalt:

3. Doktor Faust, ein komisches Duodrama, von Schink. 18. ]