12. 6. 1825
478
Jena, Göttling an Goethe (NFG/GSA, Goethe-Akten 319, 44–45):
[ QuZ Nr. II-478: Ew. Excellenz
habe die Ehre hierbei den neunten und zehnten Band der Werke zurück zu senden5; ich erlaube mir folgende Bemerkungen anzuschließen.
Neunter Band6. +S. 36, Z. 57 scheint statt „dann“ stehen zu müssen „denn“. S. 39, 9 habe ich die Interpunction geändert, 190in so fern nach „gequält“ ein Punct stand. +Sollten nicht in Gretchen’s Lied S. 169 die beiden letzten Strophen, welche verbunden gedruckt sind, durch einen Zwischenraum geschieden werden, wie es mit Str. 6 und 7 geschehen ist, obgleich nur eine sehr schwache Interpunction sie scheidet? +S. 172 in den Worten: „Natur ist Schall und Rauch Umnebelnd Himmelsglut“ ist wohl ein Druckfehler für: „Name ist Schall und Rauch“ u.s.w., wie ich in der Leipziger Ausgabe1 selbst gelesen zu haben glaube. Ich vermuthete erst, der Sinn sei etwa: der Name Natur, womit etwa der Inbegriff Gottes und der Welt zugleich angedeutet wäre, ist nur Schall und Rauch; allein ich habe bald eingesehen, daß eine solche Idee nicht in jene Rede des Faust passen könne. Das äusere Argument, welches ich mir für die Lesart „Natur“ vorhielt, daß hier nemlich ein Jambus wie „Natur“ rhythmisch erfordert werde, nicht ein Trochäus wie „Name“, erschien mir auch als kein bedeutendes, da Faust noch sonst in jener Rede einzelne Verse dactylisch und trochäisch beginnt, wie „Faßt und erhält er nicht“ oder „Liegt die Erde nicht“. +S. 187, 14 sollte vielleicht stehen: „Laß unsern Herrn Gott“ statt „Laßt unsern Herr Gott“ und +S. 195, 5 (v.u.): „Strecken sie Polypenfasern“ statt: „Stecken sie“ u.s.w. S. 198, 13[14] war ich ungewiß, ob das Präsens oder Imperfect zu setzen sei in: „Die macht ein Paar Augen“ oder: „Die macht’ ein Paar Augen“. +S. 201, 3 steht: „Platz, Junker Voland kommt“. Ich weiß nicht, ob Ew. Excellenz mit Fleiß die Form „Voland“ der sonst allein, besonders in den älteren Denkmälern der deutschen Sprache vorkommenden „Valand“ vorgezogen haben. Die letztere hat, wie es scheint, das etymologische mehr für sich, man mag es nun von der alten Form Vahen (Fahen, fangen), wo es auch sprachlich einen Gegensatz zu dem ähnlich gebildeten „Heiland“ gibt, in so fern dieser der Erretter, jener der Verderber, oder man mag es von val und Ant ableiten, wo jenes böse, dieses einen Geist, Wesen (wovon noch unser Ahndung) bezeichnet; stets bleibt doch das a im Stamm. +S. 244, 2 (v.u.) muß es wohl heißen: „Nehme man auch fremde Gemüthsart an“ und +S. 294, 4 [v.u.] vielleicht „davon“ oder „dafür“ statt „davor“.
191Zehnter Band1. S. 9, 2 und 13 sperrt sich in dem Orakel der Pentameter etwas. Sollte nicht, da sich S. 58 derselbe Pentameter mit der Veränderung: „seine Geweide gibt her“ findet, die Verkürzung der Länge gibt durch ein iambisches Verbum, etwa wie in „seine Geweide verliert“ vermieden werden können? +S. 29, 17 möchte wohl statt „elysäisch“ zu schreiben seyn „elyseisch“ oder noch besser, wie denn diese Form später in demselben Stücke vorkommt +„elysisch“. +S. 57, 15 ist mir aufgefallen: „Du bist verzuckt.“ +S. 69, 3 müßte wohl in dem Orakel der spondeische Ausgang des Pentameters: „hier und über dem Fluß“ vermieden werden etwa wie in: „hier und über dem Fluß fürchte des Tantalus Loos.“ +S. 85, 6 (v.u.) schien mir: „ja, so lang’ als mirs denkt“ nicht ganz deutlich. +S. 318 fehlt im Personenverzeichnisse der Amtmann, welcher +S. 347 auftritt.
Die Genitive wie „köstlichen Sinnes“ habe ich Ew. Excellenz Ansicht gemäß nicht mehr geändert, wo sie vorkamen2; ich würde auch nicht auf den Einfall gekommen seyn, wenn ich nicht auch die andere Form „köstliches Sinnes“ von Ew. Excellenz gebraucht gefunden hätte. Ich habe allerdings nicht bedacht, daß Ew. Excellenz beider Formen sich nebeneinander bedienen konnten. Wie pedantisch muß ich nun in Ew. Excellenz Augen erscheinen mit ängstlicher Beharrlichkeit eine und dieselbe Form durch 7 Bände überall eingeschwärzt zu haben! Ich kann diese Mikrologie kaum mit etwas anderem wieder gut machen, als indem ich Ew. Excellenz unterthänig bitte, mir die Bände von neuem zu übersenden, damit ich mich von der levis notae macula wieder frei mache. ]