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65. Lips an Goethe.

Sie werden ohne Zweifel die Masken Vignetten schon eher Zu erhalten gehoft haben, Sie verzeihen, daß sie erst jetz folgen. Ich hoffe, daß sie doch noch zur rechten Zeit bey Ihnen ankommen werden. Wenn sie nach Ihrem Sinn ausgefallen sind, so macht es mir Freude. [ Pniower Nr. 65: Von den andern Kupfergen zu Ihren 156Werken habe ich noch nichts angefangen, weil Sie mir keine Zeit darzu bestimmten, sondern es meiner Gelegenheit nach und nach zu machen überließen. Ich werde aber jetz zwischen meiner übrigen Arbeit davon anfangen, damit Sie nicht zu lange darauf warten müßen. ]

Seit dem ich Ihnen schriebe, habe ich nichts besonderes verfertiget, außert ein paar Versuche in Enkaustik. Weil bis dahin in dieser Mahlerey nichts anderes gemacht worden ist, als unausgeführte Sachen, und so zu sagen nur Skitzen, so wolte ich für meine eigene Satisfaction probiren, ob es nicht möglich wäre, in dieser Manier eben so gut wie in Öhl fleißig und vollendet zu mahlen; damit wenn diese alte Kunst ja etwas gelten und getrieben werden solte, ich wüßte woran man wäre. Ich wüßte keine beßere Aufgabe, als Portraite in ganzer Figur nach der Natur zu machen. Herr Antiquar Hirt war das erste Opfer. Er sitzt ganz patetisch auf einem Stuhl mit dem rechten Arm auf einen Tisch gelehnt, worauf Schriften und Bücher liegen. Hinten ein Bücher Schrank, um die Flache Wand des Zimmer zu unterbrechen. Bury, in stehender Figur, den Hut in der Linken Hand, und die rechte auf einen Stuhl stützend macht das zweite Bildchen, von etwan zwey Palm hoch, wie das erstere.

Ich gabe mir alle mögliche Mühe daran, und ich konte sagen, daß sie in Absicht der Kentlichkeit und übrigens in Zeichnung und Farbe gut beysamen und wohl ausgefallen waren, deßwechen ich mir große 157Hoffnung machte; allein im einbrennen reüßirte die Sache nicht so glücklich. Alles wurde viel dunkler, veränderte die Farbe, verlohren sich sanfte Dinten und Lasuren, bekamen Flecken; das runde und weiche Vergienge meistens und wurde etwas hart, so daß es nicht mehr die gleiche Sache zu seyn schiene. Im gantzen bekam es aber eine außerordentliche Kraft und gewiße Farben eine solche Vigurosität und Transparenz, die sonst schwer in Öhl zu machen ist. Aus allen diesem siehe ich, daß mit der größten Praktik und Geschicklichkeit wenig Vollkommenheit zu erreichen ist, und daß es eine solche Calkulation, um nur etwas mittelmäßiges zu machen erforderte, die die Zeit nicht werth ist, so darzu nöthig seyn würde. Mir ist wenigstens die Lust darzu so weit vergangen, bis Jemand zum Vorschein kommt, der durch Proben Beweißt, wie nahe man der Kunst der Alten in Wachs zu mahlen, oder der Öhlmahlerey in den neüeren Zeiten kommen kan. Wäre das Porträt von Bury recht gerathen, wie ich wünschte, so wäre es in meinem Herzen für Sie bestimmt gewesen, so aber könnte es Ihnen wenig Freüde machen, und doch wird ich es Ihnen, bey der nächsten Mission von Gemählden, die Ihnen Bury zuschicken wird, beylegen, nur damit ich meinen gehabten Willen befriedigen kan.

Gegenwärtig mache ich eine Zeichnung von dem schönen fertigen Grabmahl von Trippel, welche gestochen werden soll. Ich bin von ihm selbst schon angesucht worden es in Kupfer zu bringen, und viel 158leicht wird ich darzu verdammt werden, weil die Außichten für meine übrige lieblings Neigung, die Zeichnung und Mahlerey immer eher schlechter als beßer werden: Also muß ich nach und nach wieder unter mein erstes von der Natur bestimmtes Joch dem Kupferstechen zurückkehren. Gedult! was sich nicht zwingen läßt, daran muß sich keine Kraft gänzlich aufreiben.

Wenn ich mich je viel an Sie erinnere, so ist es genwärtig, in dem ich nun in Ihrem ehmaligen Logis bey Bury wohne. Uns beyden ist’s jetzt rechtschaffen wohl, und wir können unsere Anhänglichkeit und warme Freündschaft um so viel ununterbrochener und näher genießen. Das einzige, was wir oft wünschen, und uns nüzlich seyn würde, wäre Ihre Gegenwart. Rom und die Kunst wäre dann noch einmahl so schön. Konnte das lezte ruffen, und hätte wie Menschen Gefühl und Bedürffniß, so würde sie mit uns Ihren Namen nennen, und nach einer Rükkunft sehnen!

Leben Sie wohl! Ich bin mit aller Achtung und Liebe Ihr ergebenster Diener

Rom d. 21 Mertz 1789. H. Lips.