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Rom, 23. Juli 1806.

Es hat mich innig geschmerzt, liebe Caroline, aus Ihrem Briefe den Unfall zu sehen, der dem armen Wolzogen begegnet ist. Wie in aller Welt hat er es angefangen, dazu zu kommen? Das lange Liegen muß ihm bei seiner gewöhnlichen Thätigkeit entsetzlich gewesen sein. Ich denke mir ihn indeß jetzt gänzlich aus dem Bett. Grüßen Sie ihn herzlich von uns.

Sonst hat mir Ihr lieber ausführlicher Brief eine unbeschreibliche Freude gemacht. Ihr Beifall ist ein Zuruf aus einer bessern Welt, zumal ich hier niemand, als die gute, und sich auch immer gleiche Li bei mir habe. Die Zeiten und die Menschen sind nicht mehr, und es schmerzt mich manchmal, daß ich mich gewissermaßen eigenmächtig aus jenem Kreise hinwegriß, erst durch meine Reise nach Paris, dann hieher. Doch ist beides auch gut gewesen, und jetzt hätte ja doch das Schicksal mit Schiller wieder alles zerrissen.

Ich kann Ihnen nicht beschreiben, liebe Caroline, wie ich mich über die Aufnahme freue, die meine Stanzen bei 9Ihnen gefunden haben. Ich kann nicht leugnen, daß sie mir selbst werth sind, weil sie alles enthalten, was mich seit meinem Ankommen hier tief bewegt, und mit jedem Jahre tiefer durchdrungen hat. Ich hatte eine mir selbst nicht klare Sehnsucht es auszusprechen, ich versuchte bald diese, bald jene Form, endlich führte der Zufall mir diese zu, und ich habe mich wenigstens mit Innigkeit ausgesprochen. Es ist mir gewissermaßen klar, daß im Moment, da ich die Schwelle der Dichtung betreten, ich auch meinen Gipfel erreicht habe. Ich würde nie darüber hinauskommen, und werde es daher nicht leicht wieder versuchen, und doch ist, meinem innersten Gefühl nach, nur in poetischen Compositionen eigentlicher Genuß. Mich zieht der Stoff zu leicht herab, und vor allem fehlt mir die Mannichfaltigkeit der Phantasie. Nur ein schon so in sich poetischer Stoff war mich ein wenig zu halten im Stande. Indeß freut es mich sehr, daß Sie nicht Klarheit und Frische vermissen. Ich fühle ein großes Streben darnach in mir. Ich fange auch jetzt zu zeichnen an, nicht um je ein Talent dazu auszubilden, sondern um in Hand und Phantasie eine Fertigkeit mannichfaltiger Gestalten zu bekommen. Man kann die Welt nie von genug Seiten angreifen, und es ist so schlimm, wenn der Mensch in ewigem Einerlei versinkt, und immer nur über dem brütet, was er seit Jahren gethan hat.

Daß mir Rom wohl thut, darin haben Sie sehr Recht, liebe Freundin, auch werde ich es mit Willen nie verlassen. Indeß bin ich in Rom immer, so wie im Leben. Mit jedem Abend fällt mir ein, morgen könnte leicht ein Zufall eintreten, der dem Aufenthalte hier ein Ende brächte; und so ist es in der That. Eine so abhängige Lage, als meine jetzige (ich sage ihr das nicht zum Vorwurf, denn ich liebe sie) ist tausend Ungewißheiten unterworfen. Aber auch dafür ist mir nicht eigentlich bange. Mich wird Rom auch über sich hinaus stärken, und die Sehnsucht darnach, die freilich nie ausbleiben kann, wird mich nur beleben, nicht niederdrücken. Ich strebe immer kräftiger, und es gelingt mir auch immer mehr, aus dem Leben überall nur das Erhebende zu nehmen, und Menschheit und Schicksal sind so unendlich groß und vielseitig schön, daß es immer möglich ist. Nur nicht immer mit leichter Heiterkeit, sondern oft mit tiefer Bitterkeit. Nur lasse ich die Bitterkeit nie zum Haß werden, sondern gleich in Verachtung übergehen, und da bleibt die Seele immer ruhig und rein. – Was mir in den Stanzen noch leid gethan hat, ist, daß ich mich nicht habe länger bei Ihnen und unserm Verhältniß verweilen können. Allein es schien mir Ihrer würdiger, Sie nur kurz und unmittelbar an den Gegenstand anzuknüpfen, und da es doch an Parallelen meiner Stanzen mit Schlegels Elegien und den beiden Dedicationen nicht fehlen konnte, so wollte ich nicht geradezu nachahmen, was er, obgleich auf seinem Wege, und für die, mit denen er sprach, so gut gemacht hat, daß das mir das Beste an seinem Gedicht scheint. Mit dem Plan des Ganzen werden, wie auch Sie sehr richtig bemerken, nur wenige ganz zu frieden sein. Gerade der aber ist es, den ich am liebsten und sichersten vertheidigen würde. Ich halte ihn für sehr fest, und für den am meisten poetischen Theil des Gedichts. Ein lyrisches darf, dünkt mich, keinen andern haben. Ich bin so, gar sehr streng, dünkt mich, bei meinem eigentlichen Vorwurfe, den Mauern Roms stehen geblieben, und wenn man ein Gedicht mit einem Gemälde vergleichen darf, so wird, glaube ich, keiner, der sich darauf versteht, verkennen, daß dies die Hauptfigur ist, auf die sich alles andre ausschließend bezieht. Aber in alles einzugehen, was mit dieser in Berührung steht, ist gerade das Wesen des Lyrischen. Einige haben besonders die Stelle der Griechen getadelt und als Episode angesehen. Und gerade darin liegt für mich eine noch mehr wahre, als neue Ansicht des Gegenstandes. Was wäre Rom mehr für uns als Babylon, Persepolis, Memphis oder jede andere Stadt des – verzeihen Sie mir den Ausdruck – barbarischen Alterthums, wenn sie nicht von ihrem ersten Aufkommen an, in griechischem Geiste aufgeblüht, und hernach mit griechischen Trümmern bereichert wäre? Es ist unmöglich, Rom zu empfinden, ohne von griechischem Alterthume tief durchdrungen zu sein, und man sieht es an ganzen Nationen, namentlich an den Franzosen. – Herders Cid und Fernows Carstens kenne ich noch nicht, werde mir aber beide kommen lassen. Der Cid selbst war immer mein Lieblingsbuch. Schlegels und Tiek haben gar oft aus dem Spanischen bloß das Tändelnde, Religiöse genommen, die Nationalität auszusprechen, wird ihnen nie wie Herdern gelingen, der wirklich eine ganz eigenthümliche Kraft darin besaß. Sie thäten mir einen Gefallen, meine Liebe, wenn Sie Fernow bäten, das Geld, das er mir schuldig ist, an meinen Schwiegervater zu bezahlen. Es ist wirklich sehr unartig von ihm. Es ist für Bücher für die verwittwete Herzogin, es ist fast 2 Jahre her, ist eine ziemlich beträchtliche Summe, und er hat mir nicht einmal geschrieben, daß er die Bücher empfangen hat, ob ich es gleich durch andre weiß. – Von Göthe sehne ich mich sehr, selbst Nachricht zu bekommen. Gebe der Himmel, daß er sich erhält. [ Pniower Nr. 260: Man sagt hier, daß sein Faust jetzt gedruckt wird. Er hat indeß wohl nicht mehr daran gemacht, als er uns in Weimar vorlas? ] – Die Li umarmt Sie, sie ist mit allen Kindern sehr wohl. Die Hitze ist, wie man sagt, sehr groß hier; ich fühle es eben nicht, bin aber auch der einzige, der nicht leidet. Es ist doch ein ganz andrer Zustand, wenn man sich vor der Sonne verkriechen, als wenn man sie suchen muß. Bedenken Sie das ja, Liebe, und scheuen Sie die Alpen bloß, wenn einmal von dem Zurückreisen nach Deutschland die Rede sein wird. Ewig Ihr H.