1687. An Gottfried Körner.
Weimar, 27 April [Montag] 1801.
Seit einigen Wochen habe ich mein altes Jena wieder verlassen und bin auch mit meiner Tragödie fertig. Du würdest sie gleich mit diesem Exemplar d Maria erhalten haben, wenn ich sie bei der Hand hätte; aber ich mußte sie meinem Herzog geben und aus seinen Händen habe ich sie noch nicht zurück. Mir ist nun wieder ganz unbehaglich, ich wünschte wieder in einer neuen Arbeit zu stecken. Es ist nichts als die Thätigkeit nach einem bestimmten Ziel, was das Leben erträglich macht.
Es freut mich, daß Dir Tieks Umgang so angenehm ist; ich kann mir das in Deiner Seele wohl denken, denn er giebt Deiner Thätigkeit Objekte, Du kannst ihn gleichsam in Dir verarbeiten. Mich macht das ohnmächtige Streben dieser Herren nach dem Höchsten nur verdrießlich; und ihre Prätensionen ekeln mich an. Genoveva ist als das Werk eines sich bildenden Genies schätzbar, aber nur als Stufe, denn es ist nichts Gebildetes, und voll Geschwätzes, wie alle seine Produkte.
Es ist Schade um dieses Talent, das noch so viel an sich zu thun hätte und schon so viel gethan glaubt; ich erwarte nichts vollendetes mehr von ihm. Denn mir däucht der Weg zum Vortrefflichen geht nie durch die Leerheit, und das Hohle; wohl aber kann das Gewaltsame, Heftige zur Klarheit und die rohe Kraft zur Bildung gelangen.
Tiek besitzt übrigens viel litterarische Kenntnisse, und sein Geist scheint mir wirklich genährter zu seyn, als seine Werke zeigen, wo man das Bedeutende und den Gehalt noch so sehr vermißt. [ Pniower Nr. 233: Göthe ist wieder ganz hergestellt und hat indessen vieles an seinem Faust gethan, der aber noch immer als eine unerschöpfliche Arbeit vor ihm liegt, denn dem Plan nach ist das was gedruckt ist nur höchstens der vierte Theil des Ganzen, und was seitdem fertig geworden, beträgt noch nicht soviel als das Gedruckte. ] – Sonst beschäftigt er sich auch viel mit seinen optischen und naturhistorischen Dingen, die gewiß von sehr großer Bedeutung sind.
Mit Hartmann geht es Dir wie mir; ich habe ihn auch nicht kennen lernen, weil ich damals in Jena abwesend war. Man rühmt aber sehr sein Talent und Göthe hält ihn für einen tüchtigen Burschen. Schade, daß er in der Welt so wild laufen muß, und daß es in der Kunst nur Sekten und keine Kirche giebt.
Da der Macbeth so eben fertig worden, so lege ich ihn bei. Dieses Jahr ist fruchtbar an Werken meiner Feder: denn außer dem Macbeth und der Maria, wird eine neue Auflage des Carlos und der Niederl. Geschichte fertig, und im Herbst erscheint die Jungfrau von Orleans bei Unger.
am 14. May.
Ich lege Dir hier eine Broschüre von Fichten bei, die Du vielleicht sonst nicht zu Gesichte bekommen wirst. Er sagt dem Nicolai zwar verdiente derbe Wahrheiten aber der Ton ist doch zu prosaisch, zu grob und zu wenig witzig. Der Gegenstand hätte mehr ins allgemeine gespielt und der Gattungscharacter des Philisters dargestellt werden sollen. – Diese Schrift sende mir nach Durchlesung zurück.