1673. An Wolfgang von Goethe.
Jena d. 16. März [Montag] 1801.
Es geht mir hier noch immer ganz ordentlich und mit jedem Tag geschieht etwas. Ich denke, solange als ich über meinen Garten noch disponieren kann, welches bis Ostern seyn wird, noch hier zu bleiben und in dieser Zeit die rohe Anlage des ganzen Stücks vollends hinzuwerfen, daß mir in Weimar nur noch die Rundung und Polierung übrig bleibt.
Hier hat uns die Philosophische Facultät auf ihre Kosten Stoff zu einer lustigen Unterhaltung gegeben. Frid. Schlegel mußte disputieren, und um ihn zu drücken haben die Herren Ulrich, Heinrich, Hennings etc. ein altes ganz außer Curß gekommenes Gesetz, ihm selbst die Opponenten zu setzen, welche seit undenklicher Zeit von den Disputierenden selbst gewählt wurden, zu setzen. Auf den guten Rath einiger Freunde hat sich Schlegel dieser Chicane ohne Widerspruch unterzogen und den einen dieser officiell gesetzten Opponenten, der sich bescheidener betrug, ganz gut behandelt; der andere aber, ein Professor Augusti, ein nach aller Urtheil ganz erbärmliches Subject, welches von Gotha her empfohlen worden hat den Disputiract mit Beleidigungen und Anzüglichkeiten angefangen, und sich zugleich so unverschämt und so ungeschickt betragen, daß Schlegel ihm auch eins versetzen mußte. Ulrich der als Decan zugegen war und alle diese groben Angriffe des Gegners passieren ließ, relevierte mit Feierlichkeiten einige Repliquen von Schlegeln, dieser blieb ihm nichts schuldig, er hat die Lacher auf seiner Seite und es gab scandalöse Scenen. Nach der allgemeinen Erzählung aber soll sich Schlegel mit vieler Mäßigung und Anständigkeit betragen haben, und man vermuthet, daß dieser Handel seinen, als Docent schon sehr gesunkenen Credit wieder heben werde.
Von Mad. Veit ist ein Roman herausgekommen, den ich Ihnen mittheilen will, der Curiosität wegen sehen Sie ihn an. Sie werden darinn auch die Gespenster alter Bekannten spucken sehen. Indessen hat mir dieser Roman, der eine seltsame Fratze ist, doch eine bessere Vorstellung von der Verfasserin gegeben, und er ist ein neuer Beweis, wie weit die Dilettanterey wenigstens in dem Mechanisch und in der hohlen Form kommen kann. Das Buch erbitte ich mir zurück, sobald Sie es gelesen.
Die Aufgabe zu einem Gemählde an Hartmann hat mich überrascht, aber sie hat auf den ersten Blick etwas recht interessantes und einladendes. Ohne sich selbst das Räthsel zu lösen, fühlt man daß es von einem geistreichen Einfall abhängt, ob der Gegenstand glücklich oder refractaire ist. Eine vollkommene Selbstständigkeit des Gemähldes ist wohl nicht zu erwarten, aber es ist schon viel, wenn es auf den bloßen Anblick ohne den Schlüssel gleich interessant und auffordernd ist, und sich, sobald man den Schlüssel erhält, rein und vollständig auflößt.
[ Pniower Nr. 227: Viel Glück zu den Fortschritten im Faust, auf den die hiesigen Philosophen ganz unaussprechlich gespannt sind. ]
Leben Sie recht wohl, an Meiern viele Grüße.
Sch.
Die Beilagen bitte gehorsamst, gleich übergeben zu lassen.