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1341. An Wolfgang von Goethe.

Jena 8. May [Dienstag] 98.

Ich hab es bei dem gestrigen unsichern Wetter gewagt, meinen Auszug in den Garten zu halten und es ist mir nach Wunsch gelungen. Nun sitze ich endlich wieder hier in meinem ländlichen Eigenthum, die Besuche haben sich aber zufällig so gehäuft, daß ich in diesen 2 Tagen mehr Geräusch erfahren habe als den ganzen Winter. Einen darunter, einen Joseph von Retzer aus Wien haben Sie vielleicht auch gesehen, denn er ist nach Weimar gereißt. Ein klägliches Subject, das aber durch die Erinnerung an ein bereits vergessenes Zeitalter einigermaßen merkwürdig wird. Einen Herrn Prof. Morgenstern aus Halle, der neulich hier war, haben Sie bei sich gehabt, wie mir meine Frau sagt. Dieß ist eine Woltmann ähnliche Natur, auch so kokett und elegant in seinen Begriffen, und der die philosophisch kritische Kurrentmünze ganz gut inne hat. Ein gewisser Eschen, ein Schüler von Voß, den dieser voriges Jahr an mich empfohlen, ist seinem alten Abgott und Lehrer ganz untreu geworden, und findet jetzt sehr viel an ihm zu tadeln. Das Schlegelische Haus hat diesen jungen Herrn in die Mache genommen, und ihn Voßen entführt. Ich fürchte, daß er sich bei seiner Glaubensveränderung schlecht verbeßert hat. Voß hat im Sinn, seiner Luise neue Idyllen anzureihen, er scheint diesen Stoff auch für einen Faden ohne Ende zu halten, dazu möchte aber auch eine Imagination gehören die kein Ende nimmt.

[ Pniower Nr. 133: Ich gratuliere Ihnen zu dem fortgerückten Faust. Sobald Sie bei diesem Stoff nur erst bestimmt wißen, was noch daran zu thun ist, so ist er so gut als gemacht, denn mir schien immer das unbegrenzbare das schwierigste dabey zu seyn. Ihre neuliche Bemerkung, daß die Ausführung einiger tragischen Scenen in Prosa so gewaltsam angreifend ausgefallen, bestätigt eine ältere Erfahrung die Sie bei der Mariane im Meister gemacht haben, wo gleichfalls der pure Realism in einer pathetischen Situation so heftig wirkt, und einen nicht poetischen Ernst hervorbringt; denn nach meinen Begriffen gehört es zum Wesen der Poesie, daß in ihr Ernst und Spiel immer verbunden seyen.

Leben Sie recht wohl. Ich freue mich nicht wenig auf Ihr Hierseyn, wo hoffe ich vieles zur Sprache kommen und sich weiter entwickeln soll. ]

Meine Frau grüßt Sie beßtens. Sch.