12/3590. An den Herzog Carl August
Ihr erster lieber Brief hat mich in Weimar freundlichst empfangen, der zweyte folgte bald und erheiterte mir einen sehr trüben Tag. Ich wünsche nur daß das Wetter zum Schluss Ihrer Cur günstiger 173 seyn möge als es uns hier zu manchen Unternehmungen ist; doch müssen wir uns, da die Landleute im Ganzen damit zufrieden sind, wohl auch darein, so wie in die Nothwendigkeit fügen.
Indessen wird denn wohl Marianne Meyer zurückgekommen seyn und Sie werden diese angenehme und interessante Gesellschafterinn näher kennen gelernt haben, der ich auch herzlich Ihre Bekanntschaft gönne; denn was bleibt uns denn viel reelles vom Leben als das Verhältniß zu vorzüglichen Gleichzeitigen.
[ Gräf Nr. 916: Die Ungewißheit, in der ich gegenwärtig vor meiner Abreise schwebe, ist ein peinlicher Zustand, ich habe manches zu ordnen und einzurichten, dabey ich um die übrigen Stunden zu nutzen den wunderlichen Entschluß gefaßt habe meinen Faust wieder vorzunehmen , eine Arbeit die sich zu einer verworrenen Stimmung recht gut paßt. ]
Im neuen Hause sieht es recht heiter aus, ich wünsche Sie bald darin eingewohnt zu sehen. Die beyden Gemälde gewähren mitten unter der architecktonischen Herrlichkeit einen sehr guten menschlichen Anblick. Möge doch unter den Kronen die der Genius trägt sich auch die Krone des Friedens befinden! Wir stehen noch immer wie bey einer großen Crise zwischen Genesung und Verderben.
Die Architecktonischen Schriften, welche Sie hierher geschickt, sind mir nun auch zu Gesicht gekommen.
Das Portugiesische Kloster und die Ruinen von Spalatro neben einander zu sehen ist sehr interessant da jenes die gothische Architecktur auf seiner höchsten, dieses die römische auf seiner niedrigsten Stufe zeigt.
Hofrath Hirt, ehmals in Rom als Führer der Fremden bekannt, nun in Berlin sehr vortheilhaft angestellt, befindet sich gegenwärtig hier. Er lebt noch immer in der Kunstbetrachtung und dem Kunstgenusse und hat sich durch anhaltenden Fleiß viele Kenntnisse erworben. Seine Gegenwart erinnert sehr lebhaft an iene Zeiten, da man unter den herrlichen Monumenten lebte und kein andres Gespräch kein ander Interesse kannte.
Mounier hat mich gestern besucht und mir Ihr Blat vom 11ten Jun. gebracht. Wenn ich ihm bey seiner Einrichtung rathen und dienen kann werde ich es gerne thun. Er schien ganz munter in seiner Art.
Nun wünsche ich zum Schlusse daß Ihre Cur aufs beste und günstigste möge vollendet werden und Sie von allen Übeln befreyt, bald wieder bey den Ihrigen seyn mögen. W. d. 29. Jun. 97.
Goethe.