156

8/2564. An Charlotte von Stein

[1.-3. Februar.]

Diesen Brief will ich anfangen zu numeriren da ich es mit den vorigen versäumt.

a.

No 1.

d. 1. Febr. 1787. Rom.

Am Abende eines sehr schönen Tages muß ich dir schreiben, obgleich herzlich müde denn ich bin von Morgens biß in die Nacht auf den Beinen. Ich fülle nun die Lücken aus und sehe was ich noch nicht gesehen und das nothwendigste zum zweyten und dritten male. So müste ich fortfahren, wenn es etwas recht solides mit mir werden sollte, doch hoffe ich für mein Verhältniß genug zu thun. Auf dem rechten Weg bin ich gewiß.

157 Nun kann ich auch fröhlicher an das Werck gehn, denn ich habe einen Brief von dir in welchem du mir sagst, daß du mich liebst, daß du dich meiner Briefe und Nachrichten freust. Könnt ich dir nur recht viel geben. Meine Selbstgespräche bey den besten Gegenständen sind an dich gerichtet, wenn sie nur gleich auf dem Blatte stünden.

Was den Gedancken an dich betrifft; kann ich dem Rath des Peruginischen Grafen nicht folgen, sonst hab ich würcklich jetzt eine . . . .

Daß ich nicht zuviel sage, täglich ordnet sich mehr was ich sehe und gesehn habe und indem die großen Gegenstände an ihre – rechten Plätze kommen; so ist für sehr viele Platz und Raum. Vom einzelnen kann ich fast gar nichts mehr sagen. Meine Liebschafften reinigen und entscheiden sich mehr und mein Gemüth kann sich dem größeren mit gelaßner Theilnehmung entgegen heben. Erstaunend schwer ist es sehen zu lernen ohne selbst Hand anzulegen und doch habe ich keine Zeit dazu, auch würde es mich auf eine Weile beschräncken und zu sehr aufs einzelne führen. Ich spanne alle Seegel meines Geists auf um diese Küsten zu umschiffen.

Nun kommt das Carneval, das uns eine edle Woche und mehr rauben wird. Es sey drum da man Volck sieht, ist auch zu lernen.

. . . . schon drei Junonen neben einander stehen.

Durch diese Vergleichung lern ich in Geschwindigkeit was andre nur in Jahren zusammen suchen.

158 d. 2ten.

Wie hab ich nicht wieder heute an dich gedacht!

In der Sixtinischen Capelle war Amt wo die Kerzen geweyht werden. Ich war einen Augenblick drinn und bin wie ich schon schrieb für dieß Hockuspockus ganz verdorben.

Nachher machten wir einen großen Spazirgang und kamen auch auf St. Onufrio wo Tasso in einem Winckel begraben liegt. Auf der Bibliothek haben sie eine Büste von ihm. Das Gesicht ist von Wachs und soll über seinen Leichnam gegossen seyn. Es ist nicht ganz scharf und hier und da verdorben, im ganzen aber ein trefflicher, zarter, feiner Mensch.

Entschuldige mich überall wenn ich nicht schreibe. Grüße die Schwester und Schwägerinn und dancke für die Blättgen, sie sollen auch jedes ein Bildgen haben. Der Herzoginn empfiel mich aufs beste und dancke für Ihren Brief. Das Wetter ist so schön, zu Hause ist es kalt, in meiner Stube ist weder Ofen noch Camin und da wird es zum schreiben nicht haüslich. Künftige Woche haben wir das volle Carneval, Morgen gehn die neuen Opern an und ob mich gleich auch das Theater so wenig mehr, als der Pfaffen Mummerey freuen oder interessiren kann; so muß man es doch sehn. Dennoch schreib ich nächsten Posttag und wärens nur wenig Worte. Auch mach ich ein Packet zurechte, das ein Hannoveraner der nach Deutschland zurückgeht mitnehmen wird, in dem du für dich und für Freunde 159 und die Kinder Scherz und Ernst finden wirst. Herdern hab ich mit den Kupfer Platten allerley geschickt, das euch hoff ich eine gute Stunde machen soll.

Übrigens ists Zeit daß ich aus Rom gehe, und eine Pause der allzustrengen Betrachtung mache, wenigstens die Gegenstände verändre auf Neapel freue ich mich, und wenn ihr mich länger entbehren wollt auf Sicilien.

b.

Ich habe mich auf den Vorsaal ans Camin gesetzt und finde bey der Wärme Lust und Muth ein neues Blat anzufangen, denn es ist doch gar zu schön daß man in eine so große Ferne so gewiß reichen kann.

Wie verlangts mich auf Nachricht der Aufnahme Iphigeniens und ob ihr Freude aus der Mühe, aus dem Fleiße habt schöpfen können, den ich noch an das Stück gewendet habe. [ Gräf Nr. 865a: Man unternimmt nur zu viel! und ich darf an meine vier letzten Theile nicht im Ganzen dencken; so möchte mirs schwindlich werden. Ich muß sie einzeln angreifen und so wirds gehn. ]

Den Gedancken diese Gegend mit dir zu genießen, kann ich nicht aufgeben und darf ihn nicht scharf dencken. Ich sehe schon die Sachen nur mit dem Wunsche sie dir zu zeigen. Das Wetter ist ganz herrlich die Tage nehmen mercklich zu, die Lorbeern, Buxbäume blühen schon, heute sah ich den ersten Mandelbaum in Blüte. Die Maaslieben hören gar nicht auf hervorzukommen, heute fand ich Crokus und Adonis.

160 Was wird mir nicht erst das mittägigere Land für Freuden und für Kenntniße geben, und ich müßte mich sehr betrügen wenn ich nicht einige schöne Resultate herausdencken wollte. Das sehe ich nun wohl um einen allgemeineren Begriff von den Volkanen zu haben, muß man den Etna mit Verstand und Sorgfalt bereisen.

Es ist mit den natürlichen Dingen wie mit der Kunst, es ist so viel darüber geschrieben und wenn man sie sieht, läßt sich doch wieder eine neue Combination machen.

Grüße Fritzen ich werde ihm durch Kranz etwas schicken auch den kleinen Herders. Grüße Stein und Ernst.

Der Göchhausen sage: es sey gar trotzig von ihr, daß sie mir nicht geschrieben, sie werde, wenn sie sich nicht beßre, kein Bildgen erhalten.

Klinckovström sage, ich schicke durch Kranzen Brokoli Saamen an ihn, damit er ihn pflanzen und unsrer Fürstinn einen guten Salat bereiten laße, er soll auch andern Freunden davon etwas zu genießen geben. Nähere Anweisung kommt mit dem Samen.

Könnt ich nur recht vieles zu Euch verpflanzen. Wie leid ist mirs daß du von dem Caffe zuviel weggegeben, wie lieb daß er dir wohl schmeckt, wenn er nur auch wohl bekommt. Man kann mehr verschreiben, ich habe mir eine Adresse behalten, der Ankauf ist nicht theuer, das Porto, macht eine schwere Auflage.

161 Lebe mir und liebe mich.

Ich lese jetzt des guten, trocknen Volckmanns zweyten Teil, um mir zu notiren was ich noch nicht gesehen. So schön die Tage sind muß ich zu Hause bleiben und eine Pause in meinen Wanderungen machen. Von der Schönheit im vollen Mondschein Rom durchzugehen hat man, ohne es gesehn zu haben, keinen Begriff. Alles Detail, wird von den großen Massen des Lichtes und des Schattens verschlungen und nur die größten allgemeinsten Bilder stellen sich dem Auge dar. Seit 3 Tagen sind die hellsten und herrlichsten Nächte die wir wohl genoßen haben.

Einen besonders schönen Anblick gab uns das Colisee. Es wird Nachts zugeschloßen, ein Eremite wohnt an einem Kirchelchen drinne, und Bettler nisten sich in die zerfallnen Gewölbe. Sie hatten, scheint es, ein Feuer angemacht und eine stille Luft trieb den Rauch erst auf der Arena hin, daß der untere Theil der Ruinen bedeckt war und die ungeheuern Mauern oben drüber heraus sahen. Wir standen an dem Gitter und sahen dem Phänomen zu. Der Mond stand hoch und heiter. Nach und nach zog sich der Rauch durch die Gewölbe, durch die Ruinen Wände und der Mond beleuchtete ihn wie einen Nebel. Der Anblick war köstlich. So muß man das Pantheon, das Capitol beleuchtet sehn. Den Vorhof der Peterskirche und andre große Straßen und Plätze.

Lebe wohl. Was mittheilbar ist, schreibst du den Freunden aus. Liebe mich, sage mirs, daß ich lebe und mit Freuden wandle. Schon ist mirs als wäre ich auf dem Rückwege zu Euch. Theile auch manchmal Wielanden mit einem Gruße etwas mit. Daß nur nichts abgeschrieben werde.

d. 3. Febr. 87.

G.

Grüße gelegentlich Einsiedeln.