43/188. An Carl Friedrich Zelter
Ob ich gleich der Makkabäischen Familie niemals feind gewesen bin, vielmehr gefunden habe, daß die liebe Judenschaft sich auf diesem Punct der Geschichte am besten ausnimmt, so darf ich mich wohl dießmal über sie beklagen, indem du, beschäftigt, sie mit allem musikalischen Prunk einzuführen, schon seit zwey Monaten versäumst, deiner auswärtigen Freunde zu gedenken.
Zwar wenn ich mir vorstelle, was alles über 262 deinem Haupte vorgeht, dessen Einfluß du doch nicht ganz abwehren kannst, so wundere ich mich nicht, daß du, in dem Strudel von musikalischen, ästhetischen, physikalischen, naturphilosophischen Exhibitionen hingerissen, kaum zu dir selbst kommen könntest, wenn du gleich nicht eine so bedeutende Rolle dabey selbst durchzuführen hättest. Blick aber einmal wieder frey um dich her und vermelde einiges, damit der Jahrgang 1828 künftighin nicht allzu mager ausfalle. Sende mir meine Briefe von 1827, auf daß ich die Codices fortsetzen könne; auch lege das Büchlein von Kandler abermals bey; die Art und Weise dieses Mannes, musikalisch zu leben und leben zu lassen, hat auf mich einen besondern Eindruck gemacht.
[ Gräf Nr. 1592: Ich habe mich die Zeit ganz leidlich gehalten und meine Stunden zu allerlei guten und bedeutenden Zwecken verwenden können. Drey bis vier Scenen des zweyten Theils von Faust sind nach Augsburg abgegangen; möchtet ihr, wenn sie gedruckt erscheinen, in den Strömungen des Lebens diesen Darstellungen einige Augenblicke widmen können! Ich fahre fort an dieser Arbeit, denn ich möchte gar zu gern die zwey ersten Acte fertig bringen, damit Helena als dritter Act sich ganz ungezwungen anschlösse und, genugsam vorbereitet, nicht mehr phantasmagorisch und eingeschoben, sondern in ästhetisch-vernunftgemäßer Folge sich erweisen könnte. Was gelingen kann, müssen wir abwarten. ]
Manches andere Hübsche, Muntere und Zweckmäßige ist auch die Zeit her gut gerathen; ferner habe ich zu verschiedenen Sammlungen sehr angenehme Beyträge erhalten; an einem Stück Kunst und Alterthum wird gedruckt, und so haben wir bis Ostern soviel zu thun, daß wir uns nach weiterer Unterhaltung nicht umzusehen brauchen.
In meiner Umgebung, wie du sie kennst, hat sich nichts verändert; Ottilie beschäftigt sich, das Töchterchen heranzufüttern, das vor der Hand ganz niedlich und freundlich aussieht. Unsere junge Frauenwelt ist durch frisch angekommene englische Recruten nicht wenig in Bewegung gesetzt, macht sich mit allerlei Liebschaften Lust, damit es ja an einem leidenschaftlichen Capital nicht fehle, wovon man später, bey'm Abschied und endlicher Entbehrung, die Schmerzesinteressen reichlich einzunehmen habe.
unwandelbar
Weimar den 24. Januar 1828.
G.