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4125. An Carl Friedrich von Reinhard

Den besten treulichsten Dank, verehrter Freund, für die gegebenen Pariser Nachrichten; ich bin dadurch völlig befriedigt; denn eigentlich war mein Wunsch nur zu erfahren, wie jene Commission sich benehmen würde. Daß ein Einfluß von dorther auf irgend eine Weise zu erwarten sey, daran war ohnehin kaum zu denken. Mein Geschäft ist nun, die Anzeige, deren Revision ich schon gehabt, in's Publicum zu bringen und das Weitere ruhig abzuwarten.

Meine Zustände sind nicht die besten: ich war nahe daran, die Rolle des Herzogs in der natürlichen Tochter zu übernehmen; die Vorprobe macht mir 29 schon genug zu schaffen. Der Fall war um desto härter, da sie gerade die Tage vorher munterer, mittheilender, gesellig-heiterer war als je. Ich muß nun auch eine Zeit lang meinen Laden wieder schließen; und so gräbt uns das Schicksal einen Banquerout, auch ohne daß wir uns auf den Papierhandel eingelassen hätten.

Daß die Herrn vom Globe mir wohlwollen ist ganz billig; denn ich bin wirklich für sie eingenommen. Man wird eine Gesellschaft junger energischer Männer, in einer bedeutenden Stellung gewahr; ihre Hauptzwecke glaube ich zu begreifen, ihr Benehmen ist klug und kühn. Freylich macht in Frankreich die nächste Vergangenheit aufmerken und erregt Gedanken, zu denen man sonst nirgends gelangen würde. Doch hat mich gefreut, einige meiner geheimen und geheim gehaltenen Überzeugungen ausgesprochen und genugsam commentirt zu sehen. Ich würde nicht aufhören Gutes von diesen Blättern zu sagen; sie sind das Liebste, was mir jetzt zu Handen kömmt, werden geheftet, rück- und vorwärts gelesen. Auch haben sie mir in den letzten Stücken zur Einleitung in die interessanten Hefte des Herrn Cousins gedient, indem sie mir deutlich machten, auf was Art und Weise und zu welchen Zwecken jene Vorlesungen gehalten wurden.

[ Gräf Nr. 1370a: Eine Recension der Übersetzung meiner dramatischen Arbeiten hat mir auch viel Vergnügen gemacht. Verhalt' ich mich doch selbst gegen meine Productionen 30 ganz anders, als zur Zeit, da ich sie concipirte. Nun bleibt es höchst merkwürdig, wie sie sich zu einer fremden Nation verhalten und zwar so spät, bey ganz veränderten Ansichten der Zeit. ]

Was auf mich besonders erfreulich wirkt, das ist der gesellige Ton, in dem alles geschrieben ist: man sieht, diese Personen denken und sprechen immerfort in großer Gesellschaft, wenn man dem besten Deutschen immer die Einsamkeit abmerkt und jederzeit eine einzelne Stimme vernimmt.

Wenn Freund Boisserée sehr gesprächig seyn mag, so wünscht' ich doch zu wissen, was ihn in dem Grade interessirt etwas mit vielen Worten darzustellen.

Den Symbolikern konnte ich bisher nicht gut seyn: sie sind im Grunde Anticlassiker und haben in Kunst und Alterthum, insofern es mich interessirt, nichts Gutes gestiftet, ja dem, was ich nach meiner Weise fördere, durchaus geschadet. Wir wollen sehn, ob in der Folge an irgend eine Theilnahme und Annäherung zu denken ist.

Überhaupt muß ich mich jetzt sehr zusammennehmen und, mehr als jemals, alles Polemische an mir vorübergehen lassen. Der Mensch hat wirklich viel zu thun, wenn er sein eignes Positive bis an's Ende durchführen will. Glücklicherweise bleibt uns zuletzt die Überzeugung, daß gar vieles neben einander bestehen kann und muß, was sich gerne wechselseitig verdrängen möchte: der Weltgeist ist toleranter als man denkt.

31 Möge von Ihrer lieben Virginie alles Übel entfernt bleiben, was meine Eugenie so hart betroffen hat.

treuangehörig

Weimar den 12. May 1826.

Goethe.