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1806.

Die Interims-Hoffnungen mit denen wir uns philisterhaft schon manche Jahre hingehalten, wurden so abermals im gegenwärtigen genährt. Zwar brannte die Welt in allen Ecken und Enden, Europa hatte eine andere Gestalt genommen, zu Lande und See gingen Städte und Flotten zu Trümmern, aber das mittlere, das nördliche Deutschland genoß noch eines gewissen fieberhaften Friedens, in welchem wir uns einer problematischen Sicherheit hingaben. Das große Reich in Westen war gegründet, es trieb Wurzeln und Zweige nach allen Seiten hin. Indessen schien Preußen das Vorrecht gegönnt sich in Norden zu befestigen. Zunächst besaß es Erfurt, einen sehr wichtigen Haltepunct, und wir ließen uns in diesem Sinne gefallen, daß von Anfang des Jahrs preußische Truppen bei uns einkehrten. Dem Regiment Owstien folgten, Anfangs Februar, Füseliere, sodann trafen ein die Regimenter Borcke, Arnim, Pirch; man hatte sich schon an diese Unruhe gewöhnt.

Der Geburtstag unserer verehrten Herzogin, der 30. Januar, ward für dießmal zwar pomphaft genug, aber doch mit unerfreulichen Vorahnungen gefeiert. Das Regiment Owstien rühmte sich eines Chors 246 Trompeter das Seinesgleichen nicht hätte; sie traten in einem Halbkreis zum Willkommen auf das Theater, gaben Proben ihrer außerordentlichen Geschicklichkeit, und begleiteten zuletzt einen Gesang, dessen allgemein bekannte Melodie, einem Inselkönig gewidmet und noch keineswegs von dem patriotischen Festland überboten, ihre vollkommen herzerhebende Wirkung that.

Eine Übersetzung oder Umbildung des Cid von Corneille ward hiernach aufgeführt, so wie auch Stella, zum erstenmal mit tragischer Katastrophe. Götz von Berlichingen kam wieder an die Reihe, nicht weniger Egmont. Schillers Glocke mit allem Apparat des Gießens und der fertigen Darstellung, die wir als Didaskalie schon längst versucht hatten, ward gegeben, und so daß die sämmtliche Gesellschaft mitwirkte, indem der eigentliche dramatische Kunst- und Handwerkstheil dem Meister und den Gesellen anheim fiel, das übrige Lyrische aber an die männlichen und weiblichen Glieder, von den ältesten bis zu den jüngsten, vertheilt und jedem charakteristisch angeeignet ward.

Aufmerksamkeit erregte im Ganzen der von Iffland zur Vorstellung gebrachte Doctor Luther, ob wir gleich zauderten, denselben gleichfalls aufzunehmen.

Bei dem verlängerten Aufenthalt in Karlsbad gedachte man der nächsten Theaterzeit, und versuchte Öhlenschlägers verdienstliche Tragödie Hakon Jarl unserer Bühne anzueignen, ja es wurden sogar schon 247 Kleider und Decorationen aufgesucht und gefunden. Allein späterhin schien es bedenklich, zu einer Zeit da mit Kronen im Ernst gespielt wurde, mit dieser heiligen Zierde sich scherzhaft zu gebärden. Im vergangenen Frühjahr hatte man nicht mehr thun können als das bestehende Repertorium zu erhalten und einigermaßen zu vermehren. Im Spätjahr als der Kriegsdrang jedes Verhältniß aufzulösen drohte, hielt man für Pflicht die Theateranstalt, als einen öffentlichen Schatz, als ein Gemeingut der Stadt zu bewahren. Nur zwei Monate blieben die Vorstellungen unterbrochen, die wissenschaftlichen Bemühungen nur wenige Tage, und Ifflands Theaterkalender gab der deutschen Bühne eine schwunghafte Aufmunterung.

Die projectirte neue Ausgabe meiner Werke nöthigte mich sie sämmtlich wieder durchzugehen, und ich widmete jeder einzelnen Production die gehörige Aufmerksamkeit, ob ich gleich bei meinem alten Vorsatze blieb nichts eigentlich umzuschreiben, oder auf einen hohen Grad zu verändern.

Die zwei Abtheilungen der Elegien wie sie noch vorliegen, wurden eingerichtet und [ Gräf Nr. 1250: Faust in seiner jetzigen Gestalt fragmentarisch behandelt. ] So gelangte ich dieses Jahr bis zum vierten Theil einschließlich, aber mich beschäftigte ein wichtigeres Werk. Der epische Tell kam wieder zur Sprache wie ich ihn 1797 in der Schweiz concipirt, und nachher dem dramatischen Tell Schillers zu Liebe bei Seite gelegt. Beide konnten recht gut neben einander bestehen; Schillern war mein Plan gar wohl bekannt, und ich war zufrieden, daß er den Hauptbegriff eines selbstständigen von den übrigen Verschwornen unabhängigen Tell benutzte; in der Ausführung aber mußte er, der Richtung seines Talents zufolge so wie nach den deutschen Theaterbedürfnissen, einen ganz anderen Weg nehmen, und mir blieb das Episch-ruhiggrandiose noch immer zu Gebot, so wie die sämmtlichen Motive, wo sie sich auch berührten, in beiden Bearbeitungen durchaus eine andere Gestalt nahmen.

Ich hatte Lust wieder einmal Hexameter zu schreiben, und mein gutes Verhältniß zu Voß, Vater und Sohn, ließ mich hoffen auch in dieser herrlichen Versart immer sicherer vorzuschreiten. Aber die Tage und Wochen waren so ahnungsvoll, die letzten Monate so stürmisch und so wenig Hoffnung zu einem freieren Athemholen, daß ein Plan, auf dem Vierwaldstädter See und auf dem Wege nach Altorf, in der freien Natur concipirt, in dem beängstigten Deutschland nicht wohl wäre auszuführen gewesen.