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33/137. An Sulpiz Boisserée

Mit vieler Freude empfing ich Ihr werthes Schreiben; es begrüßt mich nach kaum verklungenem Feste, welches die Akademie freundlich an meinem Geburtstag gefeyert hat; alle Welt war heiter und einig und man vergaß hier einen Augenblick, daß wir 186 in der Zeit allgemeiner Mißstimmung und Mißtrauens leben.

Nun erfreuen Sie mich durch die Nachricht, daß Sie, nach vollendeter Cur, glücklich nach Hause gelangt, und ertheilen mir nähere Kenntniß eines Geschäfts, das mir so wichtig und so theuer seyn muß. Meiner anerkennenden Dankbarkeit sind Sie und alle Freunde gewiß und ich entferne daher jede Bedenklichkeit einer falschen Scham, um getrost und froh mit einzuwirken. Und so kann ich Ihnen denn mit Vergnügen erwidern, daß den 15. August Herr Rauch mit einigen Freunden bey mir in Jena eingetroffen und meine Büste gefertigt hat, auf eine Weise, daß ich sehr wohl zufrieden seyn kann, so wie alle Freunde und Gönner hiesigen Orts damit zufrieden sind. Diese aus freyem liebevollem Sinn, ohne weitere Veranlassung unternommene Reise und Kunstbemühung kommt nun unmittelbar den Frankfurter edlen Absichten zu statten, und das bedeutende Unternehmen wird dadurch sehr erleichert. Will man sich nun von dorther mit dem Künstler in Connexion setzen, so wird er die Arbeit gern übernehmen und sehr bald fördern; ihn beseelt ein jugendlich-frischer Künstler-Muth; an Material und vorarbeitenden Mitkünstlern fehlt es in Berlin jetzt auch nicht. Da ich denn noch hinzufüge, daß die Behandlung der Büste wirklich grandios ist und sich daher in jeder Größe stattlich ausnehmen wird.

Mehr sag ich nicht für heute als nur, daß ich auch für mannichfaltige Gegenstände aus mehreren Gedichten zu stimmen geneigt bin. [ Gräf Nr. 1215a: Sich auf Hermann und Dorothea zu beschränken wäre sittlich und patriotisch; wir haben aber an plastische Zwecke zu denken, welche auf jenem Weg schwerlich erreicht werden können. Mein Vorschlag wäre, mehrere bedeutende Gegenstände auszusuchen und solche dem Bildhauer vorzulegen , damit er diejenigen auswählte, welche seiner Kunst am günstigsten sind. Die verehrte Gesellschaft behält ja dabey immer das Recht, mit einzuwirken; ich sende selbst nächstens deshalb einige Vorschläge und kann es um so eher thun, als es mir zu Muthe ist, ich thue es für einen Dritten. ] Überhaupt, mich läßt ein jeder Kunstgegenstand ganz unparteiisch, nur Sinn und Absicht schwebt mir vor, mit der Frage: ob jener der rechte, und ob diese erreicht werde.

Tausend Dank und Gruß. Nächstens ein Heft Kunst und Alterthum.

treulichst

Jena den 1. September 1820.

J. W. v. Goethe.