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[ Gräf Nr. 1201:
Faust.
Mephistopheles tritt vor.
∞Wie wag' ich's nur bei solcher Fackeln Schimmer!
∞Man sagt mir nach ich sei ein böser Geist,
∞Doch glaubt es nicht! Fürwahr ich bin nicht schlimmer
∞Als mancher der sich hoch-fürtrefflich preis't.
∞Verstellung sagt man sei ein großes Laster,
∞Doch von Verstellung leben wir;
∞Drum bin ich hier, ich hoffe nicht verhaßter
∞Als andre jene, vor und hinter mir.
∞Der kommt mit langem, der mit kurzem Barte
∞Und drunter liegt ein glattes Kinn,
∞Ein Sultan und ein Bauer gleich von Arte
∞Verstellen sich zu herrlichstem Gewinn
∞Euch zu gefallen. So, den Kreis zu füllen,
∞Komm' ich als böser Geist mit bestem Willen.
∞Denn böser Wille, Widerspenstigkeit, Verwirrung
∞Der besten Sache fährdet nicht die Welt,
∞Wenn scharfes Aug' des Herrschers die Verirrung
∞Stets unter sich, in kräft'ger Leitung, hält;
∞Und wir besonders können sicher hausen,
∞Wir spüren nichts; denn alles ist dadraußen.
∞Nun hab' ich mancherlei zu sagen,
∞Es klingt beinah wie ein Gedicht;
∞Betheur' ich's auch, am Ende glaubt Ihr's nicht,
∞So muß ich's denn wie vieles andre wagen.
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∞Hier steht ein Mann, ihr seht's ihm an,
∞In Wissenschaften hat er g'nug gethan,
∞Wie dieses Vieleck das er trägt
∞Beweis't, er habe sich auf vielerlei gelegt.
∞Doch da er Kenntniß g'nug erworben,
∞Ist er der Welt fast abgestorben.
∞Auch ist, um resolut zu handeln,
∞Mit heiterm Angesicht zu wandeln,
∞Sein Äußres nicht von rechter Art,
∞Zu lang der Rock, zu kraus der Bart;
∞Und sein Geselle wohlbedächtig
∞Steckt in den Büchern übernächtig.
∞Das hat der gute Mann gefühlt
∞Und sich in die Magie gewühlt.
∞Mit Cirkeln und Fünfwinkelzeichen
∞Wollt' er Unendliches erreichen,
∞Er quälte sich in Kreis und Ring,
∞Da fühlt' er daß es auch nicht ging.
∞Gequält wär' er sein Lebelang;
∞Da fand er mich auf seinem Gang.
∞Ich macht' ihm deutlich, daß das Leben,
∞Zum Leben eigentlich gegeben,
∞Nicht sollt' in Grillen, Phantasien
∞Und Spintisirerei entfliehen.
∞So lang man lebt, sei man lebendig!
∞Das fand mein Doctor ganz verständig,
∞Ließ alsobald sich wohlgefallen
∞Mit mir den neuen Weg zu wallen.
∞Der führt' uns nun zu andern Künsten,
∞Die gute Dame war zu Diensten.
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∞An einem Becher Feuergluth
∞That er sich eilig was zu gut.
∞In einem Wink, eh man's versah,
∞Stand er nun freilich anders da;
∞Vom alten Herrn ist keine Spur;
∞Das ist derselbe, glaubt es nur.
∞Und wenn Euch dieß ein Wunder deucht,
∞Das Übrige ward alles leicht.
∞Ihr seht den Ritter, den Baron
∞Mit einem schönen Kinde schon.
∞Und so gefällt es meinem Sinn,
∞Der Zauberin und der Nachbarin.
∞Ich hoffe selbst auf Eure Gunst!
∞Im Alter Jugendkraft entzünden,
∞Das schönste Kind dem treusten Freund verbinden,
∞Das ist gewiß nicht schwarze Kunst.
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