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Eisenach, den 3. August 1789.

Leider muss ich bekennen, liebste Mutter, dass ich mich sehr faul in der Schreiberei habe finden lassen. Allein ich bin seit den ersten Juli beständig unterwegs und im Lande herumziehend gewesen und habe so viel aufzuräumen gefunden, dass ich nicht daran denken konnte, irgend ein Blatt, als bloss in Geschäftssachen, aufzusetzen.

Einen Brief habe ich hier von Ihnen erhalten, in welchen Sie mich von dem Feste benachrichtigen, welches der König von Neapel gab, und dem Sie beiwohnten. Es freut mich, dass Sie sich in der königlichen Gesellschaft gefallen. Man sagt, der König habe ausserordentlich viele Ähnlichkeit mit dem Herzoge von Meinungen; vielleicht gefällt Ihnen diese ungehobelte Natur dorten besser, als es ihr hier gelingen wollte.

Warum mir Einsiedel nicht mehr schreibt, begreife ich nicht.

Herder ist sehr vergnügt zurückgekommen. Ich habe ihn noch nicht gesehn; ich verfehlte ihn auf den Thüringer Walde um ein paar Stunden. Er ist doch viel häuslicher, als ich es ihm zutraute, denn begierig eilte er dem Seinigen zu. Auf Göttingen hat er völlig Verzicht getan; es ist doch sehr löblich, wenn der Mensch einmal sich ein Vaterland und Wirkungskreis festsetzet. Stünde mir nur meine Gesundheit besser in den meinigen bei und plagten mich nur die Nebenzufälle etwas weniger, so drehte ich mich recht vergnügt in den meinigen herum. Möchte es Ihnen doch auch bald so werden; mein Körper widerstrebt seit einiger Zeit.

[ Biedermann-Herwig Nr. 981: Göthe ist mit mir hier und auch mein Sohn; dem Kleinen bekömmt die Abwechselung sehr gut. „Tasso“ ist fertig, ein grosses Kunststück; ich bin neugierig, wie es Ihnen gefallen wird. „Faust“ kömmt auch ehstens ans Licht. ]

Die grosse Revolution in Frankreich wird Sie wie alle Übrige verwundert haben. Ich kann nicht leugnen, dass ich eine grosse Freude darüber habe, indem doch endlich einmal der Unverstand, die schändlichsten Niedrigkeiten und lasterhaftesten Unsinne ihren Lohn bekommen; haben Sie die mémoires von der La Motte gelesen?

Sollten Sie den General von Salis sehn, so haben Sie die Güte, ihm mein Kompliment zu machen und ihn zu sagen, dass, wenn er noch geschickte Offiziere suchte, ich ihm deren verschiedene aus Hessen verschaffen könnte, welches Leute von grossen Verdiensten und jetzt sehr missvergnügt wären.

Übrigens erinnern Sie sich meiner gütigst und leben wohl.

C. A. HzS.

Mein Bruder hat zu Ende Mai den Arm zerbrochen, ist aber, so viel ich weiss, völlig wiederhergestellt. Vor drei Wochen schrieb er mir, er musste sich aber dazumal eines Schreibers bedienen. General ist er und hat das Regiment; soviel wird Ihnen bekannt sein.