An Graf Reinhard 24. 3. 1828 (219)
[ Biedermann-Herwig Nr. 6125: Graf Caramans früher als ohne Ihre gütige Vermittlung geschehen wäre, gemachte Bekanntschaft verdanke ich Ihnen höchlich, es scheint mir ein sehr liebenswürdiger und wohlwollender Mann zu seyn. Obschon er nur wenig Stunden blieb, führte ich ihn doch zu Goethe [5. 3.], was ihm sehr lieb schien . . .
Wie sehr freut es uns alle hier, daß die Dinge in Frankreich eine beßere Wendung genommen, daß ein Biedermann, wie Royer Collard zum Präsidentenstuhl gelangt ist, daß Cousin wieder angestellt worden p. und ganz insbesondere, daß Sie mit Ihrem Minister so sehr zufrieden sind. Seine beyden Reden in den Cammern tragen das Gepräge der Loyauté und Unbefangenheit . . .
Goethes Faust ist in zwey kostbaren Prachtexemplaren für den Grosherzog und Goethe von Paris zum Geschenk angelangt [22. 3.]. Die Übersetzung [von Stapfer] gefällt, doch hält Goethe die von Girodet [Gérard] noch vorzüglicher. Mit den Bildern von La Croix [Delacroix] kann man nur zum Theil zufrieden seyn, manche sind doch gar zu wild und grell, ja verzeichnet, auch durchgehends zu düster gehalten. Einzelne aber sind genial componirt [vgl. W. A. I 412, 233 f.].
Die 3. Lieferung von Goethes Werken [Bd 11–15] und die erste der Octav-Ausgabe [Bd 1–5] sind schon fertig. Sie werden in jener manches Neue finden. Er arbeitet unausgesetzt am 2. Theil des Faust, hat sich Ihrer Zuschrift [Briefw. S. 298] sehr erfreut und grüßt Sie viel Tausendmal ] . . .
Daß mein Gedicht Ihres Beifalls sich rühmen darf, ist mir von hohem Werth. Anliegend theile ich – im engsten Vertrauen, denn Göthe weiß gar nicht, daß ich eine Abschrift besize – die merkwürdigen Stanzen mit, welche Er am Geburtstag der Grosherzogin mit den ersten Proben neu durch Bohrversuche gefundenen Salzes übergeben ließ [vgl. 14. 2.]. Nicht leicht hat wohl ein Dichter je Maschinen und technisches Gewerb so anschaulich und geistreich zu beschreiben gewußt.
Holteis dramatische Vorlesungen haben uns 6 Wochen lang groses Intereße abgewonnen, besonders auch Faust und Helena. Ersteren mußte er zweimal lesen, doch immer mit zweckmäßigen Auslaßungen. In Jena las er Egmont, ungemein ergreifend, vor 300 Personen.