13. Oktober.
[ Biedermann-Herwig Nr. 6088: Meine Absicht war eigentlich schon heute wieder fortzufahren, doch Goethe versicherte mich, daß ich wenigstens noch morgen bleiben müsse, worauf ich denn auch nichts erwidern konnte. Er ließ mich um 9 Uhr zu einem Protrait-Maler Namens Schmeller führen um mich protraitieren zu lassen, schickte mir seine Equipage, in welcher ich mit seinem Schreiber, Herrn Schuchardt, einem sehr artigen jungen Manne, nach Belvedere fuhr, wo wir aber nur die Treibhäuser und den wundervollen Park besehen konnten. Bei Tisch saß ich neben Goethe, der sich mit mir über manches unterhielt, so z. B. theilte er mir seine Ansichten über unsre Westphälische Gesellschaft mit, sprach über meine künftige Laufbahn und so weiter.
Nachher besah ich seine Alterthümer, worunter gar hübsche und seltene Sachen waren. Da es Zeit war, ins Theater zu gehen, so mußt ich mich empfehlen, Goethe reichte mir seine Hand, sagte viel Liebes zur Beherzigung beim Lebensantritt und entließ mich mit der Erlaubniß, ihm von Zeit zu Zeit Nachricht von meinem Treiben geben zu dürfen. ]
Im Theater wurde „Die diebische Elster“ recht wacker aufgeführt, wobei sich Strohmeyer vorzüglich durch seine Stimme auszeichnete. Noch einmal ging ich zur Johanna Schopenhauer, um eine Karte für Varnhagen abzuhohlen, traf sie aber noch nicht aus dem Theater wieder zurückgekehrt. Am Abend schrieb ich noch Einiges, packte ein und fuhr am 14., nachdem ich noch einen Blick dem Goetheschen Haus zugeworfen hatte, wieder nach Sondershausen zurück, wo ich um 4 wieder ankam.
[ Biedermann-Herwig Nr. 6088 (weiter): Noch einige Rückblicke auf Weimar.
Goethes Haus. Gleich rechts ist ein Corridor, wo vor der Treppe, in Nischen, der Faun, welcher den Bock auf dem Rücken trägt, noch eine andere Statue und der bekannte vortreffliche Hund steht. Man eilt hinauf bis man vor einer Thüre steht, die in das Vorzimmer der Visitenstube führt. Einige Bilder hangen an den Wänden, worunter sich Majolika in Rahmen befand, von der Goethe eine herrliche Sammlung besitzt. Neben dem Fenster auf einem Schranke sind mehrere römische, griechische und ägyptische Alterthümer aufgestellt, die er meistentheils selbst mit aus Italien 365gebracht hat und die sehr interessant sind. Links tritt man ins Visitenzimmer, welches mit Handzeichnungen decoriert und worin seine Kupferstiche in zierlichen Mappen, nach den Schulen geordnet, sich befinden. Ohnedem steht neben dem Fenster noch der 3–3½ Fuß hohe Kopf der Juno, und im anstoßenden Eßzimmer der Kopf einer Minerva und des Jupiter Serapis.
Durch ein folgendes gelangt man in ein schmales Zimmer, wo in mehreren Schränken seine Kunstschätze aufbewahrt sind, die ich aber wegen Mangel an Zeit nur höchst flüchtig übersehen konnte. Das Hauptsächlichste war wohl eine wirklich kostbare Sammlung von Majolika, die sich sowohl in Hinsicht ihrer seltenen Schönheit als auch ihrer Größe auszeichnet, und ein wunderschöner antiker Jupiterskopf, wovon ich einen sehr guten Abguß besitze.
Die 3. Etage bewohnte sein Sohn, der einige recht hübsche Bilder hatte. Unter andern bestand das mittelste Bogenfenster (ungefähr 4 Fuß hoch) seines Visitenzimmers aus prachtvoll gemahlten Glasscheiben, die hier sinnreich zu einem Ganzen verbunden waren.
Goethes Arbeitszimmer liegen parterre nach dem Garten zu, aus dem man in den Park geht. Seine Fenster sind dicht mit Wein umrankt, und der Gedanke, daß Er dort lebt, vermehrt das Romantische des Anblicks.
Am Donnerstag Abend ließ sich der Buchhändler Fleischer aus Leipzig anmelden und überreichte Ihm beim Abschiede ein schönes Kästchen, worin sich, zierlich in Marokin gebunden, seine neueste Ausgabe der italiänischen Classiker befand, mit folgender Deducation [sic!]:
worüber sich der Alte gewaltig freute. Er ist jetzt mit der Vollendung des 3ten [sic!] Theils seines Faust’s beschäftigt. ] –